„Gegen Hetze, Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit – für eine offene und solidarische Gesellschaft“
Für den Mittwochabend, 15. Mai 2019 hatte die Initiative „Mosbach gegen Rechts“ zu der Kundgebung auf den Marktplatz Mosbach eingeladen. Petra Herter begrüßte die mindestens 120 TeilnehmerInnen: „Wir wollen deutlich machen, dass rechte Hetze in Mosbach keine Chance hat. Wir treten ein für Toleranz, Freiheit und Demokratie.“ Anlass war eine Veranstaltung der AfD Neckar-Odenwald zum Thema „Religion und die AfD“ – ein etwas eigenwilliges Thema zu den Kommunal- und Europawahlen am 26. Mai.
Einleitend warb Arno Huth von „Mosbach gegen Rechts“ für ein „solidarisches, freiheitliches und demokratisches Europa“ sowie für ein respektvolles und achtsames Zusammenleben in Gemeinden und Städten. Mit diesem Selbstverständnis [Teil 1] wies er auch die verleumderische Behauptung des AfD-Kreisvorstandes zurück, „Mosbach gegen Rechts“ habe auf einer Veranstaltung die Woche davor rassistisch gegen Aussiedler gehetzt, und stellte klar: „Für Mosbach gegen Rechts sind Russlanddeutsche und andere Aussiedler unumstrittener und dazugehörender Bestandteil der Gesellschaft in Deutschland, im Neckar-Odenwald-Kreis und in Mosbach.“
Der evangelische Dekan Folkhard Krall geht von einem allgemeinen christlichen Menschenbild aus: „Wer glaubt, dass Gott alle Menschen liebt, der wird widersprechen müssen, wenn Menschen mit Hass überzogen werden. Wer glaubt, dass jeder Mensch von Gott geschaffen ist, der wird darauf drängen, dass wir Menschen in lebensbedrohlicher Lage die Türe öffnen.“ Für ihn sind „Respekt vor jeder Kultur und Religion“ ein schützens- und bewahrenswertes Gut. Anstelle von Hass gegen Andersgläubige und Ausgrenzung sollten Begegnungen, „Dialog auf Augenhöhe“ und Religionen übergreifende Bildung treten, damit „Vorurteile und pauschale Abwertungen überwunden werden“ könnten. Abschließend appellierte er an religiöse Menschen: „Dass wir Hass überwinden und einander die Hand reichen.“
Die 15-jährige Leyla von der Heilbronner Gruppe „Fridays for Future“ begeisterte die TeilnehmerInnen der Kundgebung mit ihrer erfrischenden Rede. Sie zeigte die Ziele der SchülerInnen-Bewegung auf und kritisierte mit Ironie die Auswüchse der Konsum- und Wohlstandsgesellschaft, welche sich zulasten der Umwelt und des Klimas und damit der Zukunft kommender Generationen auswirken. Politiker und Parteien wie die AfD, welche die These des menschengemachten Klimawandels bestreiten und die SchülerInnen-Bewegung „Fridays for Future“ und ihre Gründerin Greta von Thunberg denunzieren, wies Leyla als inkompetent zurück.
„Wir müssen wieder eine starke demokratische Mitte bilden, wir brauchen breite antifaschistische Bündnisse“, betonte DGB-Kreisvorsitzender Robin Friedl. Derzeit werde allerorten Zwietracht gesät, Angst, Wut und Hass. Das bewährte Prinzip von „Leben und leben lassen“ solle unser tägliches Zusammenleben bestimmen. Allerdings werde man auch künftig klare Kante gegen Rassismus und Rechtsextremismus zeigen. Friedl appellierte: „Geht wählen, stärkt die demokratischen Parteien.“
Für Markus Dosch von der Initiative „Herz statt Hetze Neckar-Odenwald“ werden die Grenzen der Meinungsfreiheit dort überschritten, „wo andere beschädigt, beleidigt, belästigt, bedroht oder sogar misshandelt werden.“ Er warnte vor einer Spirale aus solchen Grenzüberschreitungen, wie sie sich besonders in der AfD finden würden: „Beschimpfungen und Diffamierungen nehmen zu, gegen Andersdenke, gegen Menschen mit anderer sexuellen Orientierung, anderer Herkunft oder anderer Religion.“ Als Beispiel nannte er die Desinformationskampagne der AfD Neckar-Odenwald zum Erweiterungsbau der Moschee in Buchen. „Ich wünsche mir dagegen mehr Solidarität. Der Starke soll für den Schwachen einstehen, der Gesunde für den Kranken und der Reiche für den Armen.“ In diesem Sinn sieht er auch das wenige Tage davor von „Herz statt Hetze NOK“ zugunsten der Lebenshilfe organisierte Benefiz-Festival „Herztöne“ mit fast 400 Mitwirkenden und fast 600 Zuschauern in der Stadthalle Buchen.
Dorothee Roos von der KZ-Gedenkstätte Neckarelz bezog sich auf einen Brief des ehemaligen französischen Häftlings Albert Geiregat vom Januar 1998, gerichtet an deutsche Jugendliche. Geiregat appellierte darin, die Europabrücke über den Rhein bei Strasbourg als verbindendes und Grenzen überwindendes Symbol zu erhalten und „noch größer zu machen“. Geiregats Wahlspruch: „Kein Hass – kein Vergessen!“ Dorothee Roos zeigte auf, dass der Europatag am 9. Mai auf den Vorschlag des französischen Außenministers Robert Schumann von 1950 zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl zurückgeht. Die Idee war, die Schwer- oder Montanindustrie zu vergemeinschaften: alle beteiligten Staaten gaben zwar Souveränität ab, an Stelle dessen traten „wirtschaftliche Zusammenarbeit, vertrauensbildende Maßnahmen, wechselseitiger Respekt“. „So sollte ein neuer Krieg vermieden und ganz nebenbei auch Wohlstand geschaffen werden.“ Obwohl vieles in der EU zu kritisieren sei, bleibe Europa im Kern ein „Friedensprojekt“. Unter Bezug auf die Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann nannte Dorothee Roos als Lehren aus dem Nationalsozialismus: 1. „Frieden schaffen durch Verflechtung, durch Zusammenarbeit und Kompromiss“, 2. „die Wiederherstellung von Rechtsstaatlichkeit oder der Umbau der Diktaturen in Demokratien“, 3. „das Bekenntnis zur historischen Wahrheit“ sowie 4. „die Neuentdeckung und unbedingte Achtung der Menschenrechte.“
Anstelle eines Beitrags des Diakonischen Werks Neckar-Odenwald (Flucht und Migration) wies Arno Huth auf einen Offenen Brief aus der Zivilgesellschaft an die Bundeskanzlerin mit drei Forderungen zur Seenotrettung hin, bevor er dann abschließend nochmals die gemeinsam von „Mosbach gegen Rechts“ und „Herz statt Hetze NOK“ zusammengestellten Argumente erläuterte, warum die AfD „keine Alternative“ sei. Die Kritik der AfD an der Europäischen Union (EU) sei nicht emanzipatorisch oder sozial, sondern nationalistisch [Teil 2]: sie sehe Deutschland vor allem als Opfer der EU. Die AfD könne sich Europa nur als ein unverbindliches „Europa der Vaterländer bzw. souveräner Staaten“ mit einem „möglichst unbehinderten Binnenmarkt“ vorstellen – die EU also als Freihandelszone. Auch kommunalpolitisch habe die AfD für den Neckar-Odenwald-Kreis kaum ein eigenes Programm, das sie zu über 90 % wörtlich von dem der AfD Kreis Heilbronn kopiert habe. Mosbach gegen Rechts appelliert daher an alle Bürgerinnen und Bürger: „Keine Stimme für Rechtsextremisten und Rechtspopulisten bei den Kommunal- und Europawahlen!“