Update vom 28. August 2022
Bericht von der Kundgebung zum 77. Nagasaki-Jahrestag auf dem Marktplatz Mosbach
Die Initiative AtomErbe Obrigheim IAEO konnte etwa 25 Leute auf dem Marktplatz Mosbach zu ihrer Kundgebung zum 77. Jahrestag der Atombombenabwürfe auf Hiroshima (6. August 1945) und Nagasaki (9. August) begrüßen.
Damals töteten zwei Bomben unmittelbar rund 150.000 Menschen. Das entspricht etwa der Zahl von 144.000 Einwohnerinnen und Einwohnern, die der Neckar-Odenwald-Kreis heute zählt. Weitere Hunderttausende starben an den mittelbaren Folgen der beiden Atombombenabwürfe sowie der Atombombenversuche auf den Marshallinseln und in Nevada, in Polynesien und Algerien, in Kasachstan und anderswo.
Im Namen der Initiative AtomErbe Obrigheim dankte Arno Huth dem scheidenden Mosbacher Oberbürgermeister Michael Jann, dass er sich im Jahr 2020 den Mayors for Peace angeschlossen und im Mosbacher Gemeinderat für den Beitritt der Stadt zum Städtebündnis der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen ICAN eingesetzt hatte. Sein Nachfolger Julian Stipp erklärte inzwischen auch, weiterhin die Aufgabe als „Mayor for Peace“ in Mosbach fortzusetzen, nachdem er dieses Ehrenamt schon in Salach inne hatte.
100 Sekunden vor Mitternacht: benötigt werden Billionen für Klimaschutz und Frieden
Arno Huth appellierte an die Zivilgesellschaft, mit Engagement dem Atomwaffenverbotsvertrag universelle Wirkung zu verschaffen. Das sei dringlicher denn je, wie die Drohungen Russlands, Atomwaffen einzusetzen, auf beängstigende Weise verdeutlichten sowie die weltweit weiter steigenden Militärausgaben, die dieses Jahr wohl die zwei Billionen deutlich überschreiten dürften. Das würde knapp der Summe von 2,6 Billionen Dollar jährlich entsprechen, die der linkslibertäre Intellektuelle Noam Chomsky und der Wirtschaftswissenschaftler Robert Pollin in ihrem Buch „Die Klimakrise und der Globale Green New Deal“ berechnet hätten und die bis zum Jahr 2050 auf 4,5 Billionen jährlich gesteigert werden müssten – als Investitionen zur Begrenzung der Klimaerwärmung auf 1,5 Grad bis zum Jahr 2100 und zum Überleben der Menschheit.
„Die sogenannte Weltuntergangsuhr war schon vor Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine auf 100 Sekunden vor Mitternacht vorgerückt. Hat sie früher nur die Gefahren für die Menschheit durch einen Atomkrieg beachtet, so berücksichtigt sie nun auch andere Bedrohungen für die Zukunft der Menschheit, insbesondere die Klimazerstörung.“ Die Lage der Menschheit spitze sich immer mehr zu.
Arno Meuter vom Bündnis Klimaschutz NOK zu Klimawandel, Frieden und Generationengerechtigkeit
Daher hatte die Initiative auch das Bündnis Klimaschutz NOK um einen Beitrag gebeten. Arno Meuter, der zudem im Kreisvorstand von Bündnis 90 / Die Grünen ist und die samstäglichen Mahnwachen für Solidarität mit der Ukraine mitorganisiert, stellte sich der Frage des Umgangs „mit einer Klimaschutzmaßnahme“, nämlich: „Keine Kinder zu bekommen. … Ein Mensch, der nicht geboren wird, hat einen ökologischen Fußabdruck von Null. Der Verzicht auf Flugreisen, das Nutzen von Bahn statt Auto oder eine vegane Ernährung können da nicht mal ansatzweise mithalten.“
Für Arno Meuter persönlich kommt „aber noch die moralische Ebene hinzu: Möchte man überhaupt in diese Welt ein Kind setzen? Wir leben in einer Welt, die eben nicht generationengerecht ist. Wie erklärt man seinem Kind später, dass man es trotz des Wissens über die Folgen der Klimakrise in die Welt gesetzt hat? Entscheide ich mich ein Kind zu bekommen, so mute ich ihm zu, in einer Welt groß zu werden“, in der Klimakatastrophen alltäglich seien. Und weiter: „Wenn mich mein Kind einmal fragen wird, ob ich denn wirkliches alles Mögliche dafür getan habe, jedes mögliche Gramm CO2 vermieden habe, werde ich nicht hundertprozentig mit einem ehrlichen JA antworten können.“
Angesichts der düsteren Zukunftsaussichten, dass das 1,5 Grad Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens voraussichtlich kaum mehr erreicht werden könne und dieses sowieso bestenfalls eine Schadensbegrenzung sei, appellierte Arno Meuter: „Es wird nicht genügen, sich auf die Bundes- oder Europapolitik zu verlassen. Wir müssen unsere Art des Lebens umstellen. Ansprüche, die wir über die Jahre als selbstverständlich, fast schon als natürlich zustehend ansehen, müssen wir aufgeben.“ Arno Meuter beschwor die gemeinsame Ablehnung dieses „kollektiv-suizidalen Weges und „die Vision einer friedlichen, einer gerechten Welt. Die Vision einer Welt, in der nicht mit einem Knopfdruck das Leben Hunderttausender zerstört werden kann, einer Welt, in der die Lebensqualität nicht davon abhängt, zu welcher Generation man gehört.“
Diese Vision müsse „anhaltend mühsam demokratisch erstritten werden. Wir streiten dabei nicht nur für eine bessere Welt für uns, sondern hauptsächlich für nachkommende Generationen. … Es gilt nicht Profit an erster Stelle. Der Profit im Jetzt verliert nun gegen die Lebensqualität kommender Generationen. Machtfantasien im Jetzt verlieren gegen echten, anhaltenden Frieden.“
Sinngemäß meinte Arno Meuter, es mache aber auch keinen Sinn, auf Kinder zu verzichten, sondern es gehe darum, wie wir mit unseren Lebensgrundlagen und unseren Mitmenschen umgehen. Es würden demokratische Mehrheiten für den Schutz unseres Planeten benötigt, für die Schaffung und Wahrung von Frieden.
Nachhaltigkeit durch Achtsamkeit
Ergänzend zu der von Arno Meuter angesprochenen Generationengerechtigkeit erinnerte Arno Huth an das „Sieben-Generationen-Prinzip“ der Irokesen-Liga als universelles Lebensprinzip zur Sicherung einer nachhaltigen Zukunft durch Achtsamkeit. Das „Sieben-Generationen-Prinzip“ gehe zurück auf das „Große Gesetz des Friedens“ der Irokesen-Liga, zu der sich vor bald 450 Jahren zunächst fünf Irokesenstämme demokratisch zusammen geschlossen hatten. Jede Handlung solle so gewählt werden, dass auch die kommenden Generationen, einschließlich der siebten, eine schöne und lebenswerte Erde vorfinden. Mensch solle sich also immer fragen, was die eigenen Handlungen für einen Einfluss unter anderem auf Pflanzen, Tiere, Wasser, Land, Luft und Menschen haben könnten. Die Irokesen versuchten demnach schon früh, an ihre Ur-ur-ur-ur-ur-Enkel zu denken, die erst knapp 200 Jahre später leben würden. Mit unseren Klimaprognosen hingegen würden wir es bestenfalls vielleicht bis ins Jahr 2100 schaffen mit einer großen Spannweite aus Ungewissheiten.
Für den Terminkalender: nächster Klimastreik-Tag in Mosbach am Freitag, 23. September
Hingewiesen wurde auf den nächsten Klimastreik-Tag am Freitag, den 23. September, der unter dem Motto „People not Profit“ vorbereitet wird und auch in Mosbach um 12.30 Uhr mit einer Demonstration stattfinden soll.
Roland Blach für die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen ICAN
Schließlich begrüßte Arno Huth den Hauptredner Roland Blach aus Marbach, 53 Jahre, dreifacher Familienvater, Koordinator der bundesweiten Kampagne „Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt“, als Mitarbeiter der Friedenswerkstatt Mutlangen unter anderem Projektkoordinator des Pacemakers Radmarathon zum Hiroshima-Jahrestag für eine friedliche und gerechte Welt ohne Atomwaffen. 2017 war Roland Blach als Teil des weltweiten ICAN Netzwerks zur Verleihung des Friedensnobelpreises in Oslo gewesen und zuletzt in Wien als Delegierter auf der 1. Staatenkonferenz zum Atomwaffenverbotsvertrag vom 21. bis 23. Juni 2022. Er koordiniert den ICAN-Städteappell in Deutschland, dem sich ja auch Mosbach im Jahr 2020 angeschlossen hatte.
Atomkriegsgefahr: Vor welcher „Zeitenwende“ steht die Menschheit?
Roland Blach begann mit einem Zitat von UN-Generalsekretär Antonio Guterres vom selben Tag: „Es ist 77 Jahre her, dass über Nagasaki ein Atompilz aufstieg. Wieder einmal spielt die Menschheit mit einer geladenen Waffe. Die Beseitigung von Atomwaffen ist die einzige Garantie, dass sie nie wieder eingesetzt werden.“
Roland Blach stellte „nach dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine … eine große Einheit in Politik, Medien und großen Teilen der Bevölkerung“ fest, „reflexartig die Unterstützung der notleidenden ukrainischen Bevölkerung mit immer mehr Waffenlieferungen und Aufrüstung der NATO-Ostflanke zu begegnen.“ Für ihn stellen sich aber andere Fragen: „Wie können in dieser Situation wieder Gespräche aufgebaut, gehalten und verstärkt werden, die einen Waffenstillstand vorbereiten und eine zivile und nachhaltige Lösung unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft ermöglichen? Welches Eskalationspotential droht oder könnte drohen?“
„Im Zentrum dieses Angriffskriegs und der langen Vorgeschichte stehe die atomare Abschreckung, die uns scheinbare Sicherheit garantiert, die Erpressbarkeit, die daraus entsteht und die reelle Gefahr eines Atomkriegs. Ob geplant oder aus Versehen. Für Staatengemeinschaften und die Weltbevölkerung. … Aufrüstungsprogramme, ob atomar oder konventionell, sind der völlig falsche Ansatz, um nachhaltigen Frieden zu erreichen, nicht nur und doch auch gerade in der Ukraine. Sie übergehen einzig die Menschen, die sich nichts sehnlicher als Frieden wünschen.“
„Erst Mitte Juni hat das Friedensforschungsinstitut SIPRI davor gewarnt, dass erstmals seit Jahren eine Erhöhung der weltweiten Atomsprengköpfe zu erwarten ist. Aktuell liegt die Zahl bei 12.700. Denn alle Staaten würden ihre Arsenale modernisieren. Das Risiko eines Atomkriegs sei höher als zu jedem Zeitpunkt seit dem Höhepunkt des Kalten Krieges“, habe der Direktor von SIPRI gewarnt.
Rückblick auf den atomaren Rüstungswettlauf
Roland Blach blickte auf die Geschichte des atomaren Rüstungswettlauf seit 1945 zurück, „in welchem ein unvorstellbares atomares Vernichtungspotenzial aufgebaut wurde und die Welt manches Mal an den Rand des Abgrunds“ gebracht wurde. „Bis heute zementieren die fünf offiziellen Atommächte USA, Russland, VR China, Großbritannien und Frankreich die Weltunordnung durch ihren ständigen Sitz im Weltsicherheitsrat der UNO. In ihrem Gefolge die späteren Atomwaffenstaaten Israel, Indien, Pakistan und Nordkorea sowie alle Staaten, die unter dem nuklearen Schutzschirm der NATO stehen.“
„Es gibt keine verlässlichen Zahlen darüber, wie viel Billionen Euro dafür ausgegeben und damit einer sinnvollen und friedlichen Entwicklung der Menschheit entzogen wurde. Nach amerikanischen Schätzungen sind ein Drittel aller Rüstungsausgaben auf die Atomrüstung entfallen.
Sehr früh wurde erkannt, welch ein Wahnsinn die Forschung, Entwicklung, Produktion und Einsatz dieser Massenvernichtungswaffen sind. Proteste vielfältiger Art führten zu wichtigen Verträgen und Abrüstungsmaßnahmen. Auch wenn diese den Irrsinn der Hochrüstung und der Drohung mit der atomaren Vernichtung noch nicht stoppen konnten.“
„Mit der Überwindung der Ost-West-Konfrontation schien es für eine kurze Zeit möglich, weitere weitreichende Abrüstungsschritte in Gang zu setzen. Atomwaffenarsenale wurden massiv abgebaut. Die Annäherung zwischen dem Westen und der damaligen Sowjetunion schien stabilisierend zu wirken. Der Internationale Gerichtshof erklärte 1996 den Einsatz und die Androhung eines Einsatz von Atomwaffen als völkerrechtswidrig.“
Doch nach „einer kurzen Phase der Entspannung in den 1990er Jahren tauchten neue Bedrohungen am Horizont auf, ein atomares Wettrüsten eingeschlossen, bestärkt durch die Zeitenwende nach 09/11“ [Terrorangriff auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001 und anschließend ausgerufener „Krieg gegen den Terror“ mit Militärinterventionen in Afghanistan und im Irak]. Verträge zur atomaren Rüstungsbegrenzung usw. wurden gekündigt.
Der Atomwaffenverbotsvertrag als ermutigende historische Errungenschaft
Diese schleichende verhängnisvolle Entwicklung im Blick wurde 2006 die International Campaign to Abolish Nuclear Weapons (ICAN) gegründet mit dem Ziel eines Atomwaffenverbotes. Nach vielen Beratungen an der UNO beschlossen 122 Staaten am 7. Juli 2017 den Atomwaffenverbotsvertrag (AVV).
Als ICAN am 10. Dezember 2017 der Friedensnobelpreis verliehen wurde, war es für Roland Blach „das prägendste politische Ereignis“ seines Lebens, als er mit rund 300 CampaignerInnen in Oslo dabei war. Er zitiert die ICAN-Direktorin Beatrice Fihn: „Es ist ein Affront gegen die Demokratie, dass wir von diesen Waffen regiert werden.“ Und die Hiroshima-Überlebende Setsuko Thurlow: „Die Entwicklung von Kernwaffen bedeutet nicht den Aufstieg eines Landes zu Größe, sondern seinen Abstieg in die dunkelsten Tiefen der Verderbnis.“
Seit Freigabe des Vertrags haben 86 Staaten den AVV unterzeichnet und 66 ratifiziert. Er war am 22. Januar 2021 in Kraft getreten: Entwicklung, Herstellung, Lagerung, Weitergabe, Erwerb, Besitz, Testung und der Einsatz von Atomwaffen sind seitdem für die Vertragsstaaten verboten. Und auch wenn sich ihm die Atommächte und die über Atomwaffen mitverfügenden Staaten (wie Deutschland) verweigern, so ist Roland Blach überzeugt: „er baut einen immer stärkeren Druck auf“. Der AVV sei „ein menschengemachtes Wunder“ und wecke „Zuversicht, Hoffnung, ein weltweites Gefühl der Gemeinschaft und des Selbstbewusstseins“, sich „gegen die Zerstörung dieses wunderbaren Planeten zu stellen.“
Der österreichische Diplomat Alexander Kmentt fasst die Bedeutung des Atomwaffenverbotsvertrags im Vorfeld der 1. Staatenkonferenz zusammen: „Der AVV ist eine historische Errungenschaft, welche die völkerrechtliche Lücke des Verbots von Nuklearwaffen schließt. Der Vertrag schafft die rechtliche Voraussetzung für echte nukleare Abrüstung und bietet mit dem Fokus auf die humanitären Auswirkungen und Risiken von Nuklearwaffen die diskursiven Argumente für den dazu notwendigen Paradigmenwechsel. … Der Krieg in der Ukraine und die russischen Nukleardrohungen bestärken die Argumente für den AVV und das Verbot von Nuklearwaffen. Die Fragilität eines Sicherheitssystems, das auf der nuklearen Abschreckung basiert, wird dadurch deutlich unterstrichen. Jeder Einsatz von Nuklearwaffen hätte katastrophale Auswirkungen: von der grenzüberschreitenden Strahlung bis hin zu massiven Fluchtbewegungen, dem Einbruch der Wirtschaft und weiteren gravierenden humanitären Folgen. Ein Vertrauen auf die Stabilität der nuklearen Abschreckung ist angesichts der gravierenden Risiken ein Wunschdenken. … Nuklearwaffen sind eine existentielle Bedrohung für die gesamte Menschheit.“
Die Atommächte stellen sich gegen die Menschheit
Schon am 20. Juni fand die Vienna Conference on the Humanitarian Impact of Nuclear Weapons statt, organisiert vom österreichischen Außenministerium. Sie brachte Hunderte VertreterInnen von Staaten, internationalen Organisationen, WissenschaftlerInnen, Überlebende und der Zivilgesellschaft zusammen, um sich über die humanitären Folgen und Risiken von Atomwaffen auszutauschen, um nukleare Abrüstung und Nichtverbreitung weiter voranzutreiben.
In einer Videobotschaft erteilte UN-Generalsekretär Antonio Guterrés den Auftrag: „Let’s eliminate the weapons before they eliminate us.“
Die Vertragsstaaten beschlossen in ihrer Wiener Erklärung der 1. Staatenkonferenz zum Atomwaffenverbotsvertrag, „seine Umsetzung voranzutreiben, mit dem Ziel, Atomwaffen weiter zu stigmatisieren und zu delegitimieren und stetig eine robuste globale zwingende Norm gegen sie aufzubauen.“ Ein neues globales Bündnis sei geschlossen worden.
Der Nagasaki-Überlebende Masao Tomonaga äußerte die Hoffnung: „Diese politische Erklärung ist ein sehr starkes Dokument, trotz vieler Schwierigkeiten, mit denen wir konfrontiert sind. Mit diesem kraftvollen Dokument können wir vorankommen, und alle Hibakusha unterstützen dies. Es ist ein großartiges Dokument, um meine Stadt, Nagasaki, zur letzten Stadt zu machen, die jemals unter einem Atombombenangriff gelitten hat.“
Roland Blach berichtet weiter: „Die Vertragsstaaten trafen auch wichtige Entscheidungen zur Verurteilung der jüngsten nuklearen Bedrohungen, zur Aufnahme der Arbeit an einem Treuhandfonds zur Unterstützung von Menschen, die durch die Auswirkungen nuklearer Explosionen geschädigt wurden, zur Einrichtung eines wissenschaftlichen Beirats, zur Festlegung einer 10-Jahres-Frist für die Zerstörung von Atomwaffen und zur Beantragung weiterer Maßnahmen, um es Ländern zu ermöglichen, dem AVV beizutreten.“
Der Standpunkt der deutschen Bundesregierung
Deutschland weigert sich zwar weiterhin, den Atomwaffenverbotsvertrag zu unterzeichnen, nahm bei der Staatenkonferenz aber als Beobachter teil. „Vertreter des Außenministeriums sagten stolz, dass sie das Ziel, eine atomwaffenfreie Welt zu erreichen, vollkommen teilen, und die Beweggründe und das Engagement der AVV-Vertragsstaaten in dieser Hinsicht erkennen, wobei sie insbesondere die vorgetragene humanitäre Perspektive schätzen. Allerdings hat die Bundesregierung derzeit keinerlei Absicht, den Vertrag zu unterzeichnen. Ihre Anwesenheit als Beobachtende liege im Interesse, die Komptabilität des AVV mit dem Nichtverbreitungsvertrag sicherzustellen.“ So die Einschätzung von Roland Blach.
Dass Deutschland als Beobachter auf der Konferenz „eine Stimme abgab“, sieht er als Anknüpfungspunkt für die Zivilgesellschaft. Optimistisch meint er: „Wann ein Beitritt möglich scheint, liegt an uns.“ Auch hätten mit Belgien und den Niederlanden noch zwei weitere NATO-Staaten der nuklearen Teilhabe teilgenommen.
Nebenbei wies Blach darauf hin, dass mit der nun vom 1. bis 26. August 2022 stattfindenden Überprüfungskonferenz zum Nichtverbreitungsvertrag NVV (auch Atomwaffensperrvertrag genannt) in New York eine weitere Möglichkeit als Schritt zu einem Neustart bestehe.
Erforderlich seien vertrauensbildende Maßnahmen
Gerade der Ukraine-Krieg zeige, wie schnell die Welt an die Schwelle des Atomkrieges geraten kann. Daher würden dringend vertrauensbildende Maßnahmen benötigt.
Roland Blach wandte sich gegen das (als „Sondervermögen“ deklarierte) 100-Milliarden-Aufrüstungspaket, mit welchem die Bundesregierung auch neue Atombomber F-35 anschaffen wolle. „Statt weiterer Aufrüstung ist es dringend erforderlich, darüber nachzudenken, wie nach dem Ukrainekrieg eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur in und außerhalb Europas – unter Einbeziehung Russlands, der VR China, allen anderen Atomwaffenstaaten in der Region sowie dem Iran – konstituiert werden kann. Wir benötigen dazu zunächst eine wahrhaftige Bereitschaft auf allen Seiten, einen Waffenstillstand in der Ukraine zu erwirken.“
Aufruf zum Hiroshima-Jahrestag an die Bundesregierung
Roland Blach las schließlich aus einem zum Hiroshima-Jahrestag in der taz, in der Wochenzeitung „Freitag“ und anderweitig veröffentlichten Aufruf, den auch die Initiative AtomErbe Obrigheim mit einer kleinen Spende unterstützt hatte:
Wir bitten die Bundesregierung,
– Atomwaffen aufgrund der katastrophalen humanitären Folgen ihres Einsatzes zu ächten
– auf dem Weg zur Unterzeichnung des Atomwaffenverbotsvertrags auf die atomare Bewaffnung neuer Kampfflugzeuge zu verzichten
– kooperative Sicherheit durch eine Politik der Friedenslogik in den Blick zu nehmen und damit die nukleare Abschreckung überwinden zu helfen.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Kundgebung in Mosbach unterschrieben diesen Aufruf, den die Initiative AtomErbe Obrigheim dann an das Außenministerium abschickte.
Engagiert Euch für eine „zivile Zeitenwende“
Abschließend rief Roland Blach mit einer Vision für das Jahr 2045 dazu auf, das „Ende des Atomzeitalters“ einzuläuten und eine nicht aufzuhaltende Dynamik bis hin zur Abschaffung aller Atomwaffen in Gang zu setzen. „Es ist Zeit für eine zivile Zeitenwende. Die weltweiten ökologischen, politischen und sozialen Herausforderungen und Konflikte können mit militärischen Mitteln nicht nachhaltig gelöst werden.“
„Richten wir den Fokus auf uns, unsere Kraft, unsere Ermutigungen und unsere Leidenschaft, was wir mit aktiver Gewaltfreiheit alles erreichen können. Glauben wir an das scheinbar Unmögliche. So viel wurde mit dieser Begeisterung in der Geschichte möglich. Stehen wir als Mensch und Gemeinschaft zusammen, um das scheinbar Unmögliche vorzubereiten und zu leben: eine Welt ohne Atomwaffen, eine Welt ohne Rüstung und Krieg. Mit Frieden und Vertrauen in und zwischen uns sowie zu unserer Mitwelt.“
Keine Laufzeitverlängerung, kein Streckbetrieb von Atomkraftwerken
In seinem Schlussbeitrag erklärte Arno Huth für die Initiative AtomErbe Obrigheim sein „Entsetzen“, „dass infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und der darauffolgenden Sanktionspolitik und eines drohenden Energiemangels im Winter in Deutschland die Widerrufung des Atomausstiegs kampagnenartig in der Öffentlichkeit vorangetrieben“ werde. Die Verstromung der Atomkraft sei „ein Irrweg, wie die Katastrophen von Harrisburgh, Tschernobyl und Fukushima, der ungelöste Umgang mit dem atomaren Erbe sowie verstrahlte Landschaften in den Uranabbaugebieten verdeutlichen.“ Er forderte „am vereinbarten Atomausstieg Ende des Jahres 2022 uneingeschränkt festzuhalten“ und verwies unter anderem auf „die immer zahlreicher auftretenden Risse in den Atomkraftwerken Lingen und Neckarwestheim“, die seit 2019 ausgesetzten regelmäßigen Sicherheitsuntersuchungen, und dass auch die Betreiber die Übernahme des Haftungsrisiko für mögliche Unfälle während eines Weiterbetriebs ablehnten. In Zeiten der drohenden Eskalation von Kriegen könnten Atomkraftwerke auch zu Zielobjekten für Raketenangriffe werden, wie die beunruhigenden, nicht überprüfbaren Vorgänge beim Atomkraftwerk Saporischschja in der Ukraine zeigten.
Die Forderung, alle Atomanlagen stillzulegen, einschließlich der Brennelementefabrik in Lingen und der Urananreicherungsanlage in Gronau, die leider über 2022 hinaus betrieben werden, findet eine weitere Bestätigung in einer Erklärung des französischen Präsidenten Macron im Jahr 2020: „Ohne zivile Atomenergie gibt es keine militärische Nutzung und ohne militärische Nutzung gibt es keine zivile Atomenergie.”
Abschließend forderte Arno Huth daher:
Schluss mit der militärischen und zivilen Atomkraftnutzung – hier und überall!
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DIENSTAG, 9. AUGUST 2022 UM 17.30 UHR AUF DEM MARKTPLATZ MOSBACH
