Mahnwache zum Fukushima-Jahrestag 2020 in Mosbach

Gegen eine Renaissance der Atomenergie und für eine entschlossene Klimaschutzpolitik

Etwa fünfzehn Leute nahmen an der Mahnwache der Initiative AtomErbe Obrigheim (IAEO) zum 9. Fukushima-Jahrestages (11. März), an dem sich am infolge eines Erdbebens (und Tsunamis) Kernschmelzen in den Blöcken 1 bis 3 des Atomkraftwerks Fukushima (Japan) ereigneten. Drei Tage zuvor hatten 500 bis 800 Atomkraftgegner in Neckarwestheim demonstriert (siehe hier und hier).

Gertrud Patan von der Initiative begrüßte die Teilnehmenden. In ihrem Statement wies sie auf die Auseinandersetzungen um die geplanten Olympischen und Paralympischen Spiele im Sommer 2020 in Japan hin (die nun jedoch angesichts der Corona-Pandemie vorerst wohl nicht stattfinden werden). Japans Premierminister Shinzo Abe hatte 2013 vor dem IOC in Buenos Aires für die Spiele geworben und behauptet, die Lage in Fukushima sei unter Kontrolle. Gegner wenden jedoch ein, dass die Olympischen Spiele eine Normalität vortäuschen und von den Folgen und Schäden durch die Atomkatastrophe ablenken sollen. Einige Wettbewerbe sollen auch in Fukushima-Stadt zur Austragung kommen. Zuvor, am 26. März, sollte in unmittelbarer Nähe des Atomkraftwerks Fukushima Daiichi der olympische Fackellauf gestartet werden. Tatsächlich wird den damals vor der Radioaktivität Geflohenen jedoch zunehmend die Unterstützung entzogen, sie sollen in die verstrahlten Gebiete zurück ziehen, nachdem die Strahlengrenzwerte hochgesetzt worden waren, die Entsorgung von massenhaft angefallenen kontaminierten Grundwasser, Erde und anderen Materialien ist ungelöst, und die Bergung des Brennstoffs aus den Reaktoren wird nach gegenwärtigem Stand noch mindestens zehn Jahre dauern. Siehe dazu auch die Erklärung der 16. Atommüllkonferenz vom 29. Februar 2020 Nein zu Fackellauf und Olympia in Fukushima.

In seinem Redebeitrag (siehe ausführliche Version) wandte sich Arno Huth gegen eine Renaissance der Atomenergie und für eine entschlossene Klimaschutzpolitik. Seit etwa einem Jahr gehen Atomkraftbefürworter verstärkt in die Offensive und finden vermehrt Aufmerksamkeit auch in den Leitmedien. Der Tenor etlicher Berichte und Positionierungen zielt vor allem darauf ab, sich zwischen Atomkraft gleich klimafreundlich und Kohleverstromung als klimaschädlich entscheiden zu müssen. Die Optionen von Strom aus regenerativen Energien und Anstrengungen zur Energieeffizienz und -vermeidung fallen dabei unter den Teppich oder werden angesichts des Klimawandels als zu langsam abgetan. Ziemlich unverfroren benutzen inzwischen sogar Klimawandelleugner das Klimaschutzargument, um für Atomkraft zu werben. Zwei Hauptoptionen werden dabei ins Auge gefasst: zum einen eine Laufzeitverlängerung über das Jahr 2022 hinaus, da Kohle- und Atomausstieg nicht gleichzeitig gingen und des weiteren eine neue, die vierte Generation von Atomkraftwerken, die sämtliche Probleme der Atomkraftnutzung lösen würde und darüber hinaus noch den bisher angelaufenen hochradioaktiven Atommüll recyceln und damit das Endlagerproblem beseitigen könne. Atomkraftbefürworter finden sich vor allem in der AfD, aber auch in der FDP, und in der CDU bereiten sich zumindest Teile der Partei darauf vor, die Zustimmung der CDU zum 2011 erzielten Atomkonsens zu widerrufen. Ungemütlich könnte es vor allem werden, wenn Friedrich Merz zum Bundeskanzlerkandidaten der Union nominiert würde. Friedrich Merz wurde auch schon als „Kandidat der Atomlobby“ bezeichnet. Unmittelbar nach der nächsten Bundestagswahl im Herbst 2021 könnte es ernst werden, da zum 31. Dezember 2021 die AKW Brokdorf, Grohnde und Gundremmingen C vom Netz gehen sollen und ein Jahr später Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland.

Arno Huth stellte klar: wenn Atomenergie tatsächlich einen relevanten Beitrag zur Lösung der Weltklimafrage leisten soll, bräuchte es weltweit viele Tausende neue Reaktoren, die aber gar nicht so schnell wie nötig gebaut werden können. Zudem wären die Uranvorräte dann ziemlich bald erschöpft. Rechnet man die Unfallgefahr ausgehend von den bisherigen Erfahrungen auf Tausende Kraftwerke hoch, würde das jedes Jahr mindestens einen GAU bedeuten. Das Festhalten an der Atomenergie würde dazu führen, dass ein nötiges Umsteuern in der Energie- und Klimaschutzpolitik weiter verbummelt würde. Auch die vierte Generation von Reaktoren ist unausgereift und wird für die massenhafte großtechnische Anwendung in den nächsten zwanzig Jahren nicht zur Verfügung stehen. Auf die verheißenden Versprechungen, sie seien sicher und zuverlässig im Dauerbetrieb, kostengünstig, so gut wie atommüllfrei und könnten sogar mit Atommüll betrieben werden, kann kein Verlass sein. Gegen den Klimawandel brauchen wir die Atomkraft nicht, sondern einen raschen und politisch unterstützten Ausbau der Erneuerbaren, mehr Energieeffizienz und generell ein weitsichtigeres Wirtschaften jenseits der turbokapitalistischen Wachstumspfade.

Die Mahnwache schloss mit einer Gedenkminute für die Opfer der zivilen und militärischen Atomkraftnutzung.