Rund 800 Menschen auf der ersten Mosbacher Klimademo
Kurz vor dem Auftaktkundgebung um 5 Minuten vor 12 auf dem Bahnhofsvorplatz in Mosbach. Demoanfang mit Fronttransparent „Zusammen für Klimaschutz“ durch die Bahnhofsunterführung.
Zur ersten Mosbacher Klimademo am 20. September 2019, dem bundesweiten Klimastreiktag, kamen rund 800 Teilnehmerinnen und Teilnehmer – jung und alt. Die Erwartungen des Veranstalters, die Grüne Jugend Mosbach, wurden deutlich übertroffen. Damit ist „Fridays for Future“ endlich auch in Mosbach angekommen, nachdem die Mitorganisatorin Emily Nau, die nebenbei die jüngste Mosbacher Stadträtin ist, es zur Notwendigkeit erklärt hatte, „flächendeckend aktiv werden“ zu müssen. Gerade die jüngeren Redner und Rednerinnen, unter anderem die 15-jährige Franziska Wachter, verstanden es mit erfrischenden Beiträgen die Zuhörer und Zuhörerinnen zu begeistern. Siehe auch: https://www.facebook.com/Mosbacher-Klimademo-114468153262873/
Zur Berichterstattung in der Rhein-Neckar-Zeitung Mosbach und den Fränkischen Nachrichten siehe https://www.rnz.de/nachrichten/mosbach_artikel,-mosbach-wir-muessen-flaechendeckend-aktiv-werden-_arid,467757.html und https://www.fnweb.de/fraenkische-nachrichten_artikel,-mosbach-auch-die-dinosaurier-dachten-sie-haetten-zeit-_arid,1522807.html und https://www.fnweb.de/fraenkische-nachrichten_artikel,-mosbach-viele-hundert-streikende-in-mosbach-_arid,1522031.html
Demonstrationszug über die B 27 durch Mosbach
Insgesamt gingen in Deutschland 1,4 Millionen Menschen verteilt auf über 600 Demonstrationen auf die Straße. In Berlin waren es 270.000 Menschen, in Heidelberg 10.000 Menschen, über 5.000 in Würzburg, 2.500 in Heilbronn, 500 in Tauberbischofsheim, 300 in Wertheim, 400 in Bad Mergentheim, 500 in Sinsheim, 8.000 in Mannheim, 1.500 in Schwäbisch Hall und weitere Hunderte in Möckmühl, Künzelsau und anderswo in der Region.
In der Aktionswoche vom 20.-28. September 2019 wurden bei mehr als 6.100 Aktionen in 185 Ländern 7,6 Millionen Teilnehmerinnen und Teilnehmer gezählt. Dabei lag Italien mit 1,5 Millionen „Steikenden“ vor Deutschland an erster Stelle. In London nahmen 100.000 Menschen teil, in Brüssel 15.000, 35.000 in Den Haag, 80.000 in Wien, 100.000 in Bern, 15.000 in Paris, in Australien mindestens 300.000, 170.000 in Neuseeland, Tausende in Südafrika, 100 in Kabul (Afghanistan), Hunderte in Kampala (Uganda), 100 in Myanmar, Hunderte im Libanon, 1.000 in Tel Aviv, 250.000 mit Greta Thunberg in den USA, fast 500.000 in Montreal und mindestens weitere 100.000 in Kanada sowie viele weitere Menschen in anderen Städten.
Dr. Uwe Graser, seit über 30 Jahren am Max-Planck-Institut, warnt schon seit vielen Jahren vor dem Klimawandel. Thomas Schaupp erläuterte die Bedeutung einer Steigerung der Stromerzeugung aus regenerativen Energien (Wind und Sonne).
„Wir sind die letzte Generation, die dies jetzt noch verhindern kann.“
Wir haben Dr. Uwe Graser gefragt, ob wir seinen wissenschaftlichen Beitrag auf unsere Homepage stellen dürfen. Bei einer längerfristigen Veröffentlichung im Internet könnten allerdings Änderungen oder Ergänzungen des Beitrags nötig werden, weshalb er eine Veröffentlichung ablehnte. Daher schickte er uns lieber einen Link zu einem aktuellen Video-Beitrag (19.9.2019) von Stefan Rahmstorf, der die dramatische Situation auf dem Globus sehr gut und verständlich zusammenfasst: https://www.zeit.de/video/2019-09/6087750314001/klimawandel-was-wenn-wir-nichts-tun
Textversion:
„Der Klimawandel ist keine Zukunftsmusik, sondern wir stecken bereits mitten drin. Sehr viele Menschen spüren ja auch bereits die Folgen.
Im Pariser Klimaabkommen haben sich alle Staaten der Erde darauf geeinigt, Anstrengungen zu unternehmen, um die globale Erwärmung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen. Das erfordert allerdings sehr rasche Emissionsminderung weltweit auf Nullemissionen deutlich vor der Mitte dieses Jahrhunderts. Physikalisch, technologisch ist dies durchaus zu schaffen, politisch erscheint es jedoch sehr unwahrscheinlich.
In Paris haben die Staaten auch Selbstverpflichtungen abgegeben, wie viel sie ihre Emissionen verringern wollen, die reichen aber bei weitem nicht aus, um die Erwärmung auch nur auf zwei Grad zu begrenzen, sondern damit landen wir eher bei drei Grad. Viele der genannten Folgen der globalen Erwärmung steigen einfach immer weiter an, je wärmer es wird. Es gibt aber auch Teile des Klimasystems, die regelrecht umkippen können, und wo beim Überschreiten bestimmter kritischer Kipppunkte unumkehrbare und drastische Änderungen im System auftreten.
Die großen Eisschilde auf Grönland und auf der Antarktis haben Kipppunkte, ab denen der Totalverlust dieser Eismassen zu einem Selbstläufer wird durch einen Teufelskreis. Bei Grönland liegt dies daran, dass, wenn das Eis dünner wird, es dadurch in niedrigere und damit wärmere Luftschichten kommt. Wenn diese Eismasse verloren geht, wird der globale Meeresspiegel um sieben Meter ansteigen. Kritischer Punkt liegt hier irgendwo zwischen heute und einer Erwärmung um drei Grad. Bei dem Westantarktischen Eisschild ist der Kipppunkt wahrscheinlich bereits überschritten und drei Meter globaler Meeresspiegelanstieg sind einprogrammiert. Zum Glück funktioniert das recht langsam. Damit ist aber die Existenz vieler großer Küstenstädte gefährdet.
Auf der Nordhalbkugel gibt es riesige Permafrostflächen, gefrorener Boden, der etwa 1,8 Billionen Tonnen Kohlenstoff speichert. Wenn diese Permafrostböden auftauen, dann wird dabei Methan frei. Und Methan ist ein sehr potentes Treibhausgas, pro Molekül sogar 25 Mal stärker als CO2, und wir beobachten jetzt schon ein zunehmendes Auftauen von Permafrostböden, schneller als dies von vielen Forschern erwartet worden ist.
Wenn Wälder gerodet werden oder verbrennen, dann wird der im Holz oder auch in den Böden gespeicherte Kohlenstoff freigesetzt, und von dem bisherigen CO2-Anstieg in der Atmosphäre ist etwa ein Viertel auf Entwaldung zurückzuführen, drei Viertel auf die Verbrennung fossiler Brennstoffe. Gleichzeitig werden Wälder wie der Amazonas-Wald oder die großen borealen Wälder des Nordens auch durch den Klimawandel wiederum gefährdet.
Wenn wir nichts tun, dann landen wir bis Ende des Jahrhunderts bei vier Grad. Und das ist dann ein wirklich komplett anderer Planet. Wir können uns diese vier Grad wärmere Welt eigentlich kaum vorstellen. Da werden Kipppunkte überschritten sein, möglicherweise ganze Kaskaden von Kipppunkten, die dann wie Dominosteine einander auslösen.
Bei vier Grad Erwärmung werden wir sehr häufig nie dagewesene Wetterextreme erleben. Wir müssten von den Küsten ständig zurückweichen, weil der Meeresspiegel immer schneller ansteigt. Es würde wahrscheinlich zu großen Ernteausfällen und Hungersnöten kommen, zu riesigen Flüchtlingsbewegungen. Die UN rechnet mit 200 Millionen Klimaflüchtlingen. Es werden sich Krankheiten wie Dengue Fieber und Malaria weiter ausbreiten.
Die Kosten, wenn man es wirtschaftlich betrachtet, werden sicher ein Vielfaches höher sein als Klimaschutzkosten. Um das zu vermeiden – viele Kollegen, die ich kenne, glauben, dass wir sowieso niemals auf vier Erwärmung kommen würden, weil uns vorher die Wirtschaft zusammenbricht und die Welt in Konflikten versinken würde… Dass es nicht dazu dazu kommt, das liegt jetzt in unserer Hand. Wir sind die letzte Generation, die dies jetzt noch verhindern kann.“
Strom aus Bürgerenergiegenossenschaften
Thomas Schaupp für die Genossenschaft „BürgerEnergie Neckar-Odenwald eG“ (BEG) warb für die Möglichkeit einer klimafreundlichen Deckung des Energiebedarfs durch Stromerzeugung aus regenerativen Energien (Wind und Sonne). Dazu müsse aber fünf Mal so viel Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt werden als heute, wenn auch der Wärmemarkt und Verkehr mit Strom versorgt werden solle. Dafür plane die Bundesregierung aber viel zu langsam: der Ausbau der Stromerzeugung aus regenerativen Energien müsse vierfach schneller gehen als in den letzten Jahren. Dazu müsse auch im Neckar-Odenwald-Kreis und in Mosbach nach Ausweitung der Kapazitäten gesucht werden. Das sei nicht nur Sache des Gemeinderats, denn auch jeder junge Mensch könne und solle sich einbringen. Die Elektrotechnik-Branche wird dabei eine wichtige Rolle spielen und benötige Nachwuchs. Schaupp warb dafür, dies bei der Berufswahl in Betracht zu ziehen, in einem Beruf tätig zu werden, wo man von Montag bis Freitag „for future“ arbeite.
Thomas Schaupp möchte Mut machen und aufzeigen, dass es möglich sei, dass Deutschland klimaneutral werden könne. Schaupp und Florian Dold warben gleichzeitig für die Mitwirkung in Bürgerenergiegenossenschaften als konkrete Möglichkeit, für die regenerative Erzeugung von Strom aus Wind und Sonne tätig zu werden: http://www.buergerenergie-neckar-odenwald.de/
Links: die Schülerin Franziska Wachter. Rechts: Patrick Herter von „Mosbach gegen Rechts“.
Die AfD und der Klimawandel
In unserem Beitrag von „Mosbach gegen Rechts“ verteidigte Patrick die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Klimawandel gegen ideologisch oder politisch motivierte Angriffe von Klimawandelleugnern und Rechtspopulisten:
„Bei vielen der rechtspopulistischen Parteien in Europa sucht man vergeblich nach Maßnahmen, den Klimawandel aufzuhalten, doch speziell die AfD nimmt bei diesem Thema eine besonders krasse Position ein. Die Partei, die sonst „Wissenschaft statt Genderideologie“ fordert, will jetzt von Wissenschaft überhaupt nichts mehr wissen. Sie spricht in Bezug auf den menschengemachten Klimawandel von einer „ungesicherten Datenbasis“, während die wissenschaftlichen Ergebnisse mit 97%iger Sicherheit eine klare Sprache sprechen. Mit solcher Gewissheit ist sonst vielleicht gerade so die Relativitätstheorie bestätigt.
Es ist ja nicht falsch, Fragen zu stellen. Wie man etwa zu diesen Erkenntnissen kommt. Woher man weiß, dass es einen Klimawandel gibt und dass dieser vor allem vom Menschen verursacht ist. Im Gegenteil: Es ist sogar sehr gut sich darüber zu informieren. Man muss aber einsehen, dass die Wissenschaft auf diese Fragen klare Antworten hat. Und genau das tun Klimaleugner nicht. Sie leugnen wissenschaftliche Fakten, die nicht in ihre Ideologie passen. Mit irgendwelchen Pseudoerklärungen versuchen sie, Tatsachen, die in der Klimaforschung unumstritten sind, zu widerlegen und damit die angebliche Klimalüge zu entlarven.
Ein gängiges Argument ist dabei zum Beispiel, dass sich das Klima schon immer gewandelt habe und es schon immer Kalt- und Warmzeiten gegeben habe. Suggeriert wird dadurch, dass der aktuell beobachtete Klimawandel nicht durch den Menschen gemacht, sondern völlig natürlich sei. Das ist wie als würde man sagen: Krebs gab es schon immer, deshalb kann Rauchen keinen Krebs verursachen. Tatsächlich verläuft die Erderwärmung aktuell schneller als in den vergangenen zweitausend Jahren, und verschiedene Muster im Klimasystem deuten alle darauf hin, dass der große Ausstoß von Treibhausgasen durch den Menschen dafür verantwortlich ist.
Ein anderer Einwand, ist, dass das Intergovernmental Panel on Climate Change, kurz IPCC, worauf sich viele Leute als Quelle beziehen, ein Lobbyverein sei, der politische Ziele verfolge. Deshalb sei den Ergebnissen, zu denen der IPCC kommt, nicht zu trauen. Allerdings betreibt der IPCC überhaupt keine eigenständige Forschung, sondern fasst lediglich in regelmäßigen Abständen den Stand der Klimaforschung zusammen. Allen Aussagen, die der IPCC trifft, liegen Forschungsergebnisse von unabhängigen Wissenschaftlern zugrunde.
Aber das und all die anderen Tatsachen sind den Klimawandelleugnern egal. Zumindest einige von ihnen wissen wahrscheinlich auch davon. Sie haben keine ernsthaften, wissenschaftlichen Bedenken.
So eine Leugnung von Fakten hat immer einen politischen oder ideologischen Hintergrund. Niemand wacht morgens auf und denkt sich: „Ja, ich leugne jetzt den wissenschaftlichen Konsens über die Atomstruktur.“ Genauso wie manche Kreationisten die Urknall- und Evolutionstheorie leugnen, weil das nicht mit ihrem Bild der Schöpfung zusammenpasst, verfolgen Klimaleugner kein wissenschaftliches Ziel, sondern ein ideologisches beziehungsweise politisches.
Im Falle der AfD ist das, ähnlich wie teilweise bei der Flüchtlingspolitik, aus dem Klimawandel ein Thema zu machen, bei dem sich mal wieder zeigt, wie die Mainstreamparteien durch ihre links-grün-ideologische Politik das Volk hintergehen und Deutschland kaputtmachen würden, sodass die AfD als einzige wählbare Partei übrig bleibe. Denn nur sie habe die Lügen über den Klimawandel durchschaut und würde, sobald an der Macht, alle Maßnahmen zum Klimaschutz sofort beenden und damit den „Terror“ stoppen, dem die Bevölkerung durch CO2-Reduzierungsmaßnahmen und Ähnliches ausgesetzt ist.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Wer die AfD unterstützt, unterstützt nicht nur eine Partei voller Rechtsradikaler, sondern auch eine Partei, die nichts gegen ein Problem tut, ja es sogar leugnet, das – und auch da ist sich die Wissenschaft einig – wenn es nicht gelöst wird, zerstörerische Folgen für die ganze Welt hat. Das hat nichts mehr mit demokratischer Vielfalt oder so zu tun. Fakten unterliegen keiner demokratischen Debatte. Über Fakten kann man nicht diskutieren. Diskutieren kann man lediglich darüber, was für Konsequenzen man aus den Fakten zieht. Wobei im Falle des Klimawandels, angesichts der drohenden Folgen klar sein sollte, was die Konsequenz sein muss.“
Siehe auch den Aufruf von Mosbach gegen Rechts zur Unterstützung der 1. Mosbacher Klimademo: https://mosbach-gegen-rechts.de/2019/09/13/20-september-f4f-mosbach/
Timo Riedinger und Lena-Marie Dold von den Organisatoren der Demonstration
Für die Initiative AtomErbe Obrigheim rief Arno Huth die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Kundgebung auf, den Mosbacher Appell zur Abschaffung von Atomwaffen zu unterschreiben. Die Initiative wird demnächst mit dem Anliegen an den Oberbürgermeister, die Stadt Mosbach und die Bundesregierung herantreten. Zu dem Appell siehe: https://mosbach-gegen-rechts.de/mahnwache-redebeitrag-hiroshimatag-2019/