„Krankenhaus im Ausverkauf“ Vortrag von Dr. Thomas Strohschneider

Dienstag, 18. Juni 2024 in Mosbach

um 19 Uhr im Nebenzimmer des Restaurant/Hotel „Lamm“, Hauptstraße 59. Eine Veranstaltung des „Bündnis für Krankenhaus und gute Arbeit Neckartal-Odenwald“

Der langjährige Chefarzt Dr. Thomas Strohschneider ist Autor des Buches „Krankenhaus im Ausverkauf – Private Gewinne auf Kosten unserer Gesundheit“. Die Bundeszentrale für Politische Bildung schreibt über sein Buch:

„Gesundheit ist ein elementares Gut der öffentlichen Daseinsvorsorge. In Deutschland werden die Kosten dafür vorwiegend durch die gesetzlichen Krankenkassen bestritten, die nach dem Solidarprinzip organisiert sind. Gesundheitsdienstleistungen sind aber auch zu einem profitablen Geschäftszweig avanciert. So befinden sich mittlerweile fast 40 Prozent der Krankenhäuser hierzulande in den Händen gewinnwirtschaftlich arbeitender privater Klinikkonzerne. Der langjährige Chefarzt Thomas Strohschneider zeigt auf, wie betriebswirtschaftliches Kalkül seit einigen Jahrzehnten mehr und mehr die alltäglichen Entscheidungen und Handlungslogiken an Krankenhäusern bestimme. Anschaulich macht er deutlich, dass das Krankenhauspersonal bei Behandlungsoptionen neben dem medizinisch Gebotenen zunehmend auch Rentabilitätskriterien zu berücksichtigen habe. Das gegenwärtige Bezahlungssystem zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern führe dabei zu systematischen Fehlanreizen, etwa zu aus medizinischer Sicht unnötigen Behandlungen, aber umgekehrt auch zur Unterlassung bestimmter, medizinisch gebotener Behandlungen. Bei aller Relevanz, die ökonomischen Effizienzkriterien notwendigerweise auch im Gesundheitssystem zukomme, dürfe Wirtschaftlichkeit niemals zu Lasten der Gesundheit von Patientinnen und Patienten gehen.“

Die Krankenhausreform und die Folgen für die Versorgung im ländlichen Raum

Im zweiten Schwerpunkt seines Vortrags wird Dr. Thomas Strohschneider auf die Krankenhausreform und vor allem ihre Folgen für kleinere Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung im ländlichen Raum eingehen.

Für 2024 droht den Neckar-Odenwald-Kliniken in Mosbach und Buchen ein Defizit zwischen 10 und 15 Millionen Euro, welches dann vom Landkreis ausgeglichen werden müsste. Aktuell wird die Rotkreuzklinik Wertheim im Main-Tauber-Kreis – trotz der Bereitschaft der Stadt zu einer Kommunalisierung – in eine private Fachklinik umgewandelt, sodass rund 50.000 Menschen von einer in 30 Minuten erreichbaren Grund- und Regelversorgung abgeschnitten sein werden. Die vier GRN-Kliniken in Sinsheim, Schwetzingen, Weinheim und Eberbach im Rhein-Neckar-Kreis verzeichneten 2023 ein Rekorddefizit von rund 24 Millionen Euro.

Mitte Mai hat das Kabinett der Bundesregierung den Entwurf des von Gesundheitsminister Lauterbach vorgelegten sogenannten „Krankenhausversorgungsbesserungsgesetzes“ (KHVVG) gebilligt. Damit droht die Schrumpfung und Abwicklung von zahlreichen Krankenhäusern der Grund- und Regelversorgung und eine deutliche Verschlechterung der Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum. Prof. Dr. Karl Lauterbach hatte noch vor der Corona-Pandemie auf Twitter gefordert, dass mindestens jedes dritte oder noch besser jedes zweite Krankenhaus geschlossen werden sollte. Noch vor den Sommerferien soll nun im Bundestag die Erste Lesung zum KHVVG erfolgen.

Das „Bündnis für Krankenhaus und gute Arbeit Neckartal-Odenwald“ möchte mit dieser Veranstaltung über die Gefahren durch das KHVVG für die Gesundheitsversorgung insbesondere im ländlichen Raum sensibilisieren. Es hatte sich während der Corona-Pandemie und angesichts der zerstörerischen Krankenhauspolitik im Sommer 2021 gegründet.

Die Bundesregierung spielt mit dem Leben der PatientInnen – Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz führt zu Abbau und Entmenschlichung der Krankenhausversorgung (Pressemitteilung)

Zum Beschluss der Bundesregierung für das KHVVG veröffentlichte die bundesweite Initiative „Gemeingut in BürgerInnenhand“ folgende Stellungnahme des Bündnis Klinikrettung:

Am Mittwoch, den 15. Mai plant die Bundesregierung, das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz im Bundeskabinett zu beschließen. Das Gesetz sieht den Abbau der Krankenhauslandschaft vor. Sowohl die neu eingeführten Leistungsgruppen als auch die Vorhaltepauschalen werden zu Schließungen von Abteilungen und ganzen Häusern führen. …

Laura Valentukeviciute, Sprecherin von Gemeingut in BürgerInnenhand: „Mit der Reform zielt die Regierung darauf ab, zahlreiche Krankenhäuser zu schließen. Das geschieht erstens, weil die strukturelle Unterfinanzierung bestehen bleibt. Auch die sogenannten Vorhaltepauschalen sind ein Etikettenschwindel, denn die Deckung entstehender Kosten der Häuser wird mit ihnen gerade nicht sichergestellt. Zudem werden mit der Einführung der Leistungsgruppen zahlreiche Krankenhäuser von bestimmten Behandlungen zwangsweise ausgeschlossen. Damit werden massenhaften Schließungen Tür und Tor geöffnet. Den Krankenhauskahlschlag hat die Regierungskommission, welche die Reformvorschläge ausgearbeitet hat, selber zugegeben: Die Entfernungen zum nächsten Krankenhaus werden für viele Menschen signifikant weiter, circa 5,8 Millionen Menschen werden von der wohnortnahen Notfallversorgung ausgeschlossen. Die Bundesregierung spielt mit dem Leben der PatientInnen, die sich in einer akuten Notlage befinden werden.“

Das Bündnis Klinikrettung hat eine Stellungnahme zum Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz eingereicht.

Klaus Emmerich, Klinikvorstand im Ruhestand: „Bewährte klinische Strukturen in ländlichen Regionen werden sinnlos zerschlagen. Viele klinische MitarbeiterInnen werden ihren Beruf aufgeben und nicht in Ballungszentren umsiedeln. Das wird große Lücken in die klinischen Versorgung reißen. Mit der Reform entmenschlicht der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach die stationäre klinische Versorgung der Bevölkerung. Geld und Wettbewerb werden entscheiden, wer wo behandelt wird.“

Hintergrund: Die Krankenhausreform wird fatale Folgen für die Krankenhausversorgung in Deutschland haben. Das prognostizieren mittlerweile auch andere Verbände wie die Deutsche Krankenhausgesellschaft oder die Bundesärztekammer. Das Bündnis Klinikrettung befürchtet folgende Auswirkungen der Reform:

  • Kleine ländliche Krankenhäuser werden in großem Umfang schließen.
  • Die wohnortnahe klinische Notfallversorgung wird massiv eingeschränkt.
  • Klinisches Fachpersonal wird in andere Berufe wechseln.
  • Verbleibende Großkliniken werden mit dem erhöhten Patientenaufkommen noch weiter überlastet werden.
  • Ältere Menschen werden in Großkliniken behandelt, isoliert und weit weg von ihrem sozialen Umfeld.
  • Unheilbar erkrankten PatientInnen im Endstadium wird die wohnortnahe klinische Versorgung mit Verweis auf vermeintlich schlechtere Behandlungsergebnisse verwehrt.