Für Vielfalt und Solidarität
Update 16. und 20.7.2023
Hier ein paar Impressionen (danke an die Jusos Neckar-Odenwald für die Fotos): 300 vorwiegend junge Leute zogen entschlossen von der Auftaktkundgebung am Bahnhof Mosbach West zum Marktplatz Mosbach und feierten sich und den ersten CSD im Neckar-Odenwald-Kreis. In ihren Ansprachen warben der Landrat Dr. Achim Brötel, regionale Vertreter der Ampel-Parteien und ihrer Jugendorganisationen, die Organisatoren, die AWO und weitere Gruppen für eine vielfältige, offene und solidarische Gesellschaft, für Anerkennung unterschiedlicher Lebensentwürfe und ermutigten, gegen Hass, Hetze und Intoleranz einzustehen und zusammenzuhalten.
Für Vielfalt und Solidarität
„Mosbach gegen Rechts“ freut sich über den ersten Christopher Street Day im Neckar-Odenwald-Kreis (Mosbach, Samstag, 15. Juli 2023) und ruft zur Teilnahme auf.
Der folgende Text ist weitgehend dem gemeinsamen Flugblatt von „Mosbach gegen Rechts“ und dem Verein „KZ-Gedenkstätte Neckarelz e.V.“ zum ersten Mosbacher CSD entnommen:
Der Christopher Street Day
Der CSD erinnert an den „Stonewall Riot“, der erste größere Aufstand von Homosexuellen und anderen queeren Minderheiten Ende Juni 1969 gegen die Polizeiwillkür in der New Yorker Christopher Street im Stadtviertel Greenwich Village.
Zu dieser Zeit gab es immer wieder gewalttätige Razzien der Polizei in Kneipen mit homo- und transsexuellen Besucher*innen. Besonders betroffen von Misshandlungen und Willkür waren Afroamerikaner und Menschen lateinamerikanischer Herkunft.
Als sich dieses Mal Besucher der Bar „Stonewall“ – insbesondere Dragqueens, transsexuelle Latinas und Schwarze – gegen die wiederkehrenden Kontrollen wehrten, war dies der Auftakt zu tagelangen Straßenschlachten mit der New Yorker Polizei.
Um des ersten Jahrestages des Aufstands zu gedenken, wurde das „Christopher Street Liberation Day Committee“ gegründet. Seitdem wird in New York am letzten Samstag des Juni, dem „Christopher Street Liberation Day“, mit einem Straßenumzug an dieses Ereignis erinnert. Daraus ist eine internationale Tradition geworden, im Sommer für die Rechte von Lesben und Schwulen zu demonstrieren und zu feiern. „Gay pride“ bezeichnet das daraus hervorgegangene Selbstbewusstsein.
Für uns von „Mosbach gegen Rechts“ ist der Einsatz gegen Homophobie, Queer- und Transfeindlichkeit, für Vielfalt, Toleranz und Anerkennung gesellschaftlicher Minderheiten Teil unseres Engagements „gegen Rechts“ und für Antifaschismus.
Aber was ist denn eigentlich „rechts“, und wer sind die „Rechten“?
„Rechts“ und „links“ sind vor uns liegende Weg-Richtungen. Was verschiedene „rechte“ Strömungen gemeinsam haben – ohne dass es sie deshalb unbedingt eint oder verbindet -, ist die Behauptung oder die Ideologie von der Ungleichheit und der Ungleichwertigkeit von Menschen. Diese kann sich auf verschiedene Aspekte beziehen:
Die Menschen seien ungleich aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu unterschiedlichen (tatsächlichen, konstruierten oder vermeintlichen) Rassen, Völkern, Nationen, Religionen, Geschlechtern oder aufgrund unterschiedlicher Körper, Sexualitäten oder aufgrund ihrer unterschiedlichen (Leistungs-)Fähigkeit oder Zugehörigkeiten zu bestimmten (wirtschaftlichen, sozialen oder gesellschaftlichen) Klassen oder Schichten oder anderem. Die Aufwertung der einen Seite geht einher mit der Abwertung der anderen Seite.
„Rechte“ reduzieren unsere menschliche Vielfalt auf ihre Vorstellungen von Ungleichheit. Mit dieser Ideologie der Ungleichheit …
– leiten sie unterschiedliche statt allgemeine Rechte ab
– sortieren sie Menschen in Schubladen und weisen ihnen Plätze zu oder grenzen sie aus bestimmten Lebensbereichen aus
– rechtfertigen sie Intoleranz, Diskriminierungen und Verfolgungen
– verteidigen sie die ungleiche Verteilung wirtschaftlichen Reichtums und gesellschaftlicher Teilhabe auf nationaler und globaler Ebene
– beharren sie auf Privilegien, die sie mit „Freiheit“ verwechseln
– wehren sie sich gegen Klimagerechtigkeit und leugnen damit einhergehend die menschengemachte Klimazerstörung
… oder anderes.
Widersetzen sich Menschen in ihrer Vielfalt gegen Zumutungen durch die „Rechten“ und widersprechen ihnen, wird ihnen häufig vorgeworfen, Teil einer Verschwörung zu sein – gegen das angeblich Alt-Bewährte, gegen eine göttliche oder natürliche Ordnung, wahlweise gegen Deutschland oder die Menschheit usw.
Warum wir uns „gegen Rechts“ engagieren
Menschen wehren sich aber gegen Rassismus, Nationalismus, Sexismus, Zwangsheterosexualität, wirtschaftliche, soziale, gesellschaftliche und religiöse Bedrückung, nicht weil sie Teil oder Marionetten einer „woken“ Verschwörung sind, sondern weil sie sich nach Emanzipation (Befreiung), nach Selbstbestimmung und Anerkennung und nach wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Teilhabe sehnen.
Nein, nicht wir haben einen Kulturkampf ausgerufen. Sondern wir wehren uns gegen Zumutungen durch Rechtskonservative, Rechtslibertäre, Rechtsextreme oder andere Reaktionäre. Wir wehren uns gegen Hass und Hetze, gegen tätliche oder verbale Übergriffe auf uns und unsere Mitmenschen.
Den Ungleichheitsvorstellungen der „Rechten“ setzen wir die gegenseitige Anerkennung in unserer Vielfältigkeit entgegen! Engagiert Euch für eine offene und solidarische Gesellschaft und für ein gutes Leben für alle!
Rosa-Winkel-Häftlinge in den KZ Neckarelz und Neckargerach
Im sogenannten „Dritten Reich“ spitzten Nazis rechte Ideologie tödlich zu: durch massenhafte Einsperrung, Entrechtung, brutale Zwangsarbeit, Gewalt und Mord in Konzentrationslagern (KZ), im rassistisch-nationalistischen Weltkrieg und beim Völkermord in Vernichtungslagern und -aktionen.
In den KZ mussten politische Häftlinge und ausländische Widerstandskämpfer einen roten Winkel tragen, sogenannte „Asoziale“ und „Arbeitsscheue“ sowie Sinti und Roma einen schwarzen Winkel, sogenannte Kriminelle oder „Berufsverbrecher“ einen grünen Winkel, Juden einen gelben Davidstern und Zeugen Jehovas einen lila Winkel. Männliche Homosexuelle wurden in den KZ in der Regel mit einem rosa Winkel stigmatisiert. Homosexuelle Frauen wurden als sogenannte „Asoziale“ oder anderweitig abwertend verfolgt.
Im Nationalsozialismus wurden von 1933 bis 1945 etwa 53.000 Männer nach § 175 Reichsstrafgesetzbuch wegen Homosexualität zu Haftstrafen verurteilt. Bis zu 15.000 von ihnen wurden in Konzentrationslager eingesperrt, wo ihre Todesrate bei 60 Prozent lag. In den KZ Neckarelz und Neckargerach (mit einer Maximalbelegung von rund 3.200 KZ-Häftlingen) waren die 17 homosexuellen Häftlinge eine verschwindende Minderheit unter den insgesamt fast 5.500 KZ-Häftlingen (davon nur etwas mehr als 300 Deutsche).
Das KZ Neckarelz war Mitte 1944 im Gebäude der Volksschule Neckarelz eingerichtet worden, das KZ Neckargerach im April 1944 in einem Barackenlager und ein weiteres KZ in Neckarelz im Sommer 1944. Drei kleinere Lager entstanden im Spätsommer 1944 in Asbach, Neckarbischofsheim und Bad Rappenau. Die KZ-Häftlinge mussten das Obrigheimer Gipsbergwerk zu einer unterirdischen Rüstungsverlagerungsfabrik von Daimler-Benz (Flugmotoren für Kampfjäger) ausbauen und schwere Berg-, Erd- und Bauarbeiten verrichten. In den Neckarlagern starben 275 KZ-Häftlinge. Mindestens 1.000 weitere starben nach ihrer Verlegung in andere KZ, bei der Evakuierung oder nach ihrer Befreiung bis Ende des Jahres 1945. Heute erinnert die KZ-Gedenkstätte Neckarelz an die Leiden der Häftlinge: http://www.kz-denk-neckarelz.de/
Was wurde aus den Rosa-Winkel-Häftlingen der KZ Neckarelz und Neckargerach? Der Schneider Josef Vonderbank und der Buchhalter Helmut Korth überlebten mehrere Jahre Haft und KZ. Auch andere wurden befreit. An Wolfgang Kostecky erinnert seit Juni 2023 eine Gedenktafel am Standort seiner inzwischen abgerissenen Villa in Berlin-Pankow; er starb 1949 in einem Lager für Displaced Persons in Böblingen an den gesundheitlichen Folgen seiner KZ-Haft. Heinrich Keil starb am 17. Februar 1945 im KZ Dachau. Walter Klauer starb am 1. Mai 1945 im Außenlager Ebensee des KZ Mauthausen. Karl Reimer starb am 21. Juni 1944 im KZ Natzweiler. Im KZ Dachau starben Julius Maier (2. Januar 1945) und Karl Kunich (11. April 1945); beide waren Jahre davor wegen angeblichem „Schwachsinn“ sterilisiert worden.