Eine Klarstellung zum 75. Jahrestag der Befreiung in Auschwitz
Links: April 1945 in Osterburken, sechs befreite französische Häftlinge der KZ Neckarelz und Neckargerach (Foto: Archiv KZ-Gedenkstätte Neckarelz). Rechts: Zum KZ-Friedhof umfunktionierter jüdischer Friedhof in Binau – in den KZ Neckarelz und Neckargerach starben über 275 KZ-Häftlinge. Rund 1.200 weitere Häftlinge (von insgesamt etwa 5.300) der KZ Neckarelz und Neckargerach starben nach ihrer Überstellung in andere Lager, auf dem Evakuierungsmarsch und Krankenzug bei der Auflösung der Neckarlager oder in den Wochen und Monaten nach der Befreiung.
Die AfD-Landtagsabgeordnete Frau Dr. Christina Baum aus dem Main-Tauber-Kreis kann es mal wieder nicht lassen, sich zu Themen zu äußern, die sie nicht versteht oder nicht verstehen will. In einem Facebook-Beitrag auf ihrer Seite äußert sie sich zur Rede des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier am 23. Januar 2020 anlässlich des 75. Jahrestags des Befreiung in Auschwitz (27. Januar 1945). [Die Rede des Bundespräsidenten kann hier nachgelesen werden.] Dr. Christina Baum erklärt:
In seiner Rede in der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier von den „mit großer historischer Schuld beladenen“ Deutschen gesprochen und damit den Eindruck erweckt, dass auch die heute lebende Generation der Deutschen – die in ihrer absoluten Mehrheit die Zeit des Nationalsozialismus nicht persönlich miterlebt hat und damit in keiner Weise für Verbrechen dieser Zeit verantwortlich ist – einem „Volk der Täter“ angehören würde.
Diese unhaltbare Kollektivschuld, die der Bundespräsident seinen eigenen Landsleuten wider besseres Wissen aufbürden will, ist die reinste Form von Volksverhetzung, weil er damit nicht etwa eine zeithistorisch klar definierte Gruppe von erwiesenen Kriegsverbrechern, sondern das jetzt lebende deutsche Volk pauschal zu Massenmördern erklärt. Dies stellt einen schweren Verstoß gegen die Menschenrechte und die Menschenwürde der nachgeborenen Deutschen dar.
Erinnerung und Trauer um die Opfer der NS-Verbrechen als gleichzeitige Mahnung für die Zukunft ist ohne Zweifel selbstverständlicher Ausdruck eines zivilisierten Volkes im Umgang mit seiner Vergangenheit.
Doch eine daraus konstruierte ewige Schuld im Sinne einer Erbschuld kann es weder nach geltenden Rechtsgrundsätzen noch aus christlicher Sicht geben. Eine solche Perfidität zerstört unweigerlich die Seele eines ganzen Volkes.
Ein Bundespräsident, der – sich selbst eingeschlossen – sein Volk als Täter-Kollektiv behandelt, ist im höchsten Amt der Bundesrepublik Deutschland eine absolute Fehlbesetzung. Er sollte sich in Konsequenz dessen selbst von dieser Aufgabe befreien und sein Amt niederlegen.
Dr. Baums Unfähigkeit, Gelesenes zu verstehen, oder ihre Fähigkeit, Inhalte zu verdrehen
Hier möchte Frau Dr. Christina Baum mal wieder nichts von Deutschland wissen, während sie sonst ein Bekenntnis zu Deutschland und Patriotismus einfordert. Wieviele Kinderseelen aber haben deutscher Nationalismus, Rassismus, Antisemitismus und Nationalismus schon zerstört?
Und vor allem lügt Frau Dr. Christina Baum, indem sie den Inhalt des Wortlaut verfälscht: in seiner Rede in Yad Vashem hat der Bundespräsident von keiner Kollektivschuld der Deutschen gesprochen, und schon gar nicht von einer Schuld der Generationen heute. Er sagte: „75 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz stehe ich als deutscher Präsident vor Ihnen allen, beladen mit großer historischer Schuld.“ Anders als Frau Baum bekennt sich der Bundespräsident zu ganz Deutschland einschließlich seiner Verbrechen, während Frau Baum wohl bloß irgendwelche Heldengeschichten Deutschlands hören will. Eine solche wäre zum 75. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz in Yad Vashem sicherlich nicht angemessen. Ein Glück, dass Frau Dr. Baum nicht Bundespräsidentin ist.
Der Bundespräsident weiter: „Doch zugleich bin ich erfüllt von Dankbarkeit: für die ausgestreckte Hand der Überlebenden, für das neue Vertrauen von Menschen in Israel und der ganzen Welt, für das wieder erblühte jüdische Leben in Deutschland. Ich bin beseelt vom Geist der Versöhnung, der Deutschland und Israel, der Deutschland, Europa und den Staaten der Welt einen neuen, einen friedlichen Weg gewiesen hat. Die Flamme von Yad Vashem erlischt nicht. Und unsere deutsche Verantwortung vergeht nicht.“ Auch hier wieder: nicht die Schuld der Deutschen, sondern „deutsche Verantwortung“, also des Deutschlands heute für seine gesamte Geschichte. Dies ist etwas anderes als Erbschuld.
Man muss kein Fan von Steinmeier sein und auch nicht alles an seiner Rede mögen, aber diese gibt keinen Anlass, seinen Rücktritt zu fordern:
„Ja, wir Deutsche erinnern uns. Aber manchmal scheint es mir, als verstünden wir die Vergangenheit besser als die Gegenwart. Die bösen Geister zeigen sich heute in neuem Gewand. Mehr noch: Sie präsentieren ihr antisemitisches, ihr völkisches, ihr autoritäres Denken als Antwort für die Zukunft, als neue Lösung für die Probleme unserer Zeit. Ich wünschte, sagen zu können: Wir Deutsche haben für immer aus der Geschichte gelernt. Aber das kann ich nicht sagen, wenn Hass und Hetze sich ausbreiten. Das kann ich nicht sagen, wenn jüdische Kinder auf dem Schulhof bespuckt werden. Das kann ich nicht sagen, wenn unter dem Deckmantel angeblicher Kritik an israelischer Politik kruder Antisemitismus hervorbricht. Das kann ich nicht sagen, wenn nur eine schwere Holztür verhindert, dass ein Rechtsterrorist an Jom Kippur in einer Synagoge in Halle ein Massaker, ein Blutbad anrichtet. Natürlich: Unsere Zeit ist nicht dieselbe Zeit. Es sind nicht dieselben Worte. Es sind nicht dieselben Täter. Aber es ist dasselbe Böse. Und es bleibt die eine Antwort: Nie wieder! Niemals wieder! Deshalb darf es keinen Schlussstrich unter das Erinnern geben. Diese Verantwortung ist der Bundesrepublik Deutschland vom ersten Tage eingeschrieben. Aber sie prüft uns – hier und heute! Dieses Deutschland wird sich selbst nur dann gerecht, wenn es seiner historischen Verantwortung gerecht wird: Wir bekämpfen den Antisemitismus! Wir trotzen dem Gift des Nationalismus! Wir schützen jüdisches Leben! Wir stehen an der Seite Israels! Dieses Versprechen erneuere ich hier in Yad Vashem vor den Augen der Welt. Und ich weiß, ich bin nicht allein. Hier in Yad Vashem sagen wir heute gemeinsam: Nein zu Judenhass! Nein zu Menschenhass!“