Die Wahrheit über Gretas Atlantiküberquerung

20.9.2019, 5 Minuten vor 12 Uhr

Lügen, Unterstellungen, Paternalismus, Beleidigungen, Gehässigkeiten, Missgunst

Wer in den letzten Wochen die Berichterstattungen von Rechtspopulisten und sogenannten Klimaskeptikern in deren „sozialen“ und anderen Online-Medien über die Atlantikfahrt von Greta Thunberg verfolgt hat, konnte auf zahlreiche Lügen, Unterstellungen, Gehässigkeiten und bevormundenden Paternalismus stoßen. Zweck ist Verunsicherung hervorzurufen sowie „Fridays for Future“ (F4F) zu verunglimpfen und lächerlich zu machen: die Kinder von F4F seien fremdgesteuert, hätten keinen eigenen Willen, würden instrumentalisiert, seien dumme „Schulschwänzer“ und hätten keine Ahnung.

Foto: Leonhard Lenz, Wikimedia Commons, gemeinfrei

Greta Thunberg in den Fängen einer Weltverschwörung

Vielfach wurde ein Bildchen geteilt (unter anderem von einem Mosbacher AfD-Gemeinderat), welches ein Segelboot zeigt, auf dessen Segel der Schriftzug „Edmond de Rothschild“ steht (jüdischer Bankier, 1845-1934). Handschriftlich ist angemerkt: „Dieser Moment wenn Du begreifst das Du mit nem Rothschild-Boot unterwegs bist #Pariser Klimabanker Agenda“. Suggeriert wird, ohne es direkt auszusprechen: Greta Thunberg bzw. F4F sind Teil der NWO (Neuen Weltordnung), einer angeblich globalen Verschwörung vor allem reicher Juden gegen die Völker der Welt.

Tatsächlich stammt das Foto des Bootes aber aus dem Jahr 2015, bevor es verkauft und umgetauft wurde. Die Behauptung, Greta Thunberg segele mit einem „Rothschild-Boot“, ist also falsch!

Ist die „Klima-Göre“ auf den Azoren in den Flieger umgestiegen?

Während der Reise wurden weitere Zweifel gestreut und unter Berufung auf den Verschwörungstheoretiker Gerhard Wisnewski suggeriert: „Der seltsame Kurs gibt zu denken: Wurde die Klima-Göre Greta Thunberg etwa von Bord der Segelyacht Malizia II geholt? … Der Sinn des Ganzen könnte darin liegen, dass man in New York nur eine frische und ausgeruhte Greta vorzeigen möchte und nicht ein seekrankes Mädchen, … Schließlich wartet da ja schon die Pressemeute und will eine topfitte Greta sehen. Es wäre also sicherer, sie die andere Hälfte der Reise von den Azoren aus mit dem Flugzeug zu befördern.“

Atlantiküberquerung – überwacht von einem Dutzend militärischer Flugzeuge

Auf einem Sharepic wird behauptet, dass die Klima-Aktivistin Greta Thunberg bei ihrer Atlantikreise von mehr als einem Dutzend militärischer Flugzeuge „mit weit mehr als 100 Einsatzflügen“ überwacht wird: „Das wird die mit Abstand teuerste Atlantiküberquerung der Neuzeit! Mit dem höchsten CO2-Verbrauch seit dem 2. Weltkrieg!“ Eine Recherche verweist allerdings auch diese angeblichen „Fakten“ in das Reich der Märchen.

Greta Thunberg produziert zusätzliche Treibhausgase

Auch die CSU-Landesgruppe im Bundestag versuchte mit einem Video von Armin Petschner (CSYOU) eine späte Antwort auf Rezos Youtube-Video zu geben und beteiligte sich damit an der Schmutz-Kampagne gegen Greta Thunberg. Mit einem inszenierten Versprecher suggeriert er, Greta wäre mit einer Luxus-Yacht über den Atlantik gefahren: „Klima-Ikone Greta Abramowicz äh Thunberg …“. Er wiederholt das zuvor schon vielfach erzählte Märchen, dass, wäre Greta „geflogen, hätte sie unterm Strich deutlich weniger CO2 produziert“. Die Rechnung: um das Boot zurück nach Europa zu bringen, reisen mehrere Segler mit dem Flugzeug in die USA.

Die Fahrt war jedoch eine symbolische Aktion, ein Appell, und vielleicht lassen sich dadurch viele Treibhausgase vermeiden, wenn diese mutige Aktion eines 17-jährigen Mädchens zum Vorbild genommen wird, in Zukunft auf Flüge zu verzichten. Es hängt also jetzt von uns ab, ob Gretas Atlantikfahrt zu einer Einsparung von Treibhausgasen führt oder nicht!

Greta Thunberg verdient sich an „Eurer Blödheit dumm und dämlich“

Leute, die sonst den Kapitalismus in allen seinen asozialen und umweltzerstörerischen Ausprägungen verteidigen, fangen plötzlich an, Geschäftemacherei zu kritisieren. Typisch ist beispielsweise die Frage des rechtspopulistischen Deutschlandkuriers: „Wer vermarktet eine psychisch beeinträchtigte 16-Jährige mit Asperger-Syndrom, einer Variante von Autismus, skrupellos als Superstar des Öko-Pops?“

Auch wenn es vielleicht gute Gründe gibt, die mediale Inszenierung von Greta Thunberg durch ihren Förderer Ingmar Rentzhog zu kritisieren, so ist es hier keine wirklich soziale oder emanzipatorische Kritik, sondern eine, die unreflektierten Neid hervorrufen will: Das „weniger laut erklärte Ziel“ von Ingmar Rentzhog sei es, „mit Greta Thunberg als Klima-Superstar möglichst viel Geld zu scheffeln.“ Der Deutschlandkurier käme aber bei einem anderen Thema kaum auf die Idee, diesen allgemeingültigen Zweck kapitalistischen Unternehmertums zu kritisieren. Ihm geht nur darum, Rentzhog als skrupellosen Geschäftemacher zu denunzieren und Greta Thunberg wieder zum willenlosen Opfer zu erklären, auf welches Millionen Menschen hereinfallen und die damit die deutsche Wirtschaft ruinieren würden.

Beleidigungen, Gehässigkeiten, Diskriminierungen

Kaum ein Beitrag in den rechtspopulistischen Medien kommt ohne Beleidigungen, Spottnamen oder Gehässigkeiten aus. Auf bevormundende Weise wird einmal Greta Thunberg als behindertes Opfer für krank erklärt, pathologisiert, dann im nächsten Absatz wüst beleidigt, und ein AfD-Politiker machte aus ihr ein Nazi-Mädel. Häufig wird der Name Greta Thunberg nicht einmal verwendet, stattdessen „pubertierendes schwedisches Schulmädchen“, „schulschwänzender Teenager“, „Klein-Greta“, „Klima-Göre“, „behinderter Teenager“, spöttisch „Heilige Greta“, die „Pippi Langstrumpf aller Klimabewegten“, „Nervensäge“, „professionelle Schulschwänzerin“, eine „Marionette für rein finanzielle Interessen“ und vieles mehr.

Das politisch missbrauchte Kind

Gerne wird auch das „kranke“, „autistische“ Mädchen bedauert, weil es „gnadenlos ausgenutzt“ würde von „der Öko-Lobby und den Klima-Jüngern“ mit „ihren knallharten Interessen“, so Dr. Malte Kaufmann von „Christen in der AfD“. Was meint er mit knallharten Interessen? Waffenhandel, Ölkriege, die Automobil-industrie, Braunkohle- und Atom-Lobby, die abzockenden Wohnungskonzerne, Geldanlegefonds, die Agrarlobby, die Privatisierung öffentlicher Güter oder die Landräuber in den Entwicklungsländern? Neidisch stellt Kaufmann fest: „Für Schulstreik wegen diffuser Klimahysterie wird ein Kind nun sogar für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen“. Der bekennende Christ twittert: „Mädchen tut mir leid. Wird seiner Kindheit beraubt & für grüne Ideologien missbraucht.“

Kaufmann sieht in Greta Thunberg ein willenloses Opfer von politischem Kindesmissbrauch, anstatt ihr selbstbewusstes und entschlossenes Auftreten zu sehen und anzuerkennen. Kaufmann selbst war aber auch nicht davor zurückgeschreckt, seine vier Kinder zu instrumentalisieren und mit auf ein AfD-Wahlplakat zu packen, letztlich ein doppelmoralisches Verhalten.

Informiert und engagiert Euch für eine lebenswerte Zukunft weltweit für alle Menschen

Ständig werden Lügen, Unterstellungen, Beleidigungen und Gehässigkeiten über F4F und Greta Thunberg in die Welt gesetzt. Diese Hetzer wollen keinen globalen Bewusstseinswandel sowie eine ökologische und soziale Veränderung der Welt (Klimagerechtigkeit). Stattdessen propagieren sie ein Weiter-So: die fortgesetzte Zerstörung von Lebensbedingungen. Die Zukunft scheint ihnen nicht wichtig zu sein. Mit ihrer Hetze gegen F4F und Greta Thunberg wollen sie nur ablenken vom eigentlichen Thema, dem Klimawandel.

Macht Euch sachkundig, seid Euch aber auch bewusst, dass es nicht in jedem einzelnen Punkt eine wasserdichte Argumentation bzw. die eine Wahrheit geben kann. Informiert Euch auch bei Faktencheckern, zum Beispiel bei www.klimafakten.de oder correctiv.org oder mimikama.at

Ein Männerproblem: ihre Eier – der Neid von großen, aber zu kurz gekommenen Jungs

Unter anderem von einem Mosbacher AfD-Gemeinderat wurde zu einem Beitrag des „Promi-Gastronoms“ Detlef Steves verlinkt: „Jetzt reicht es mir! Eine 16 jährige beweint den Hambacher Forst? Die sollte lieber beweinen, dass ihr Freund auf einer Party mit ner anderen geknutscht hat, … Alter geht mir die scheisse langsam auf die Eier!!! Demnächst läuft sie noch über das Wasser und teilt Flüsse! …“

Ein treffender Kommentar dazu findet sich auf einem anderen Sharepic: „Was viele an Greta Thunberg vermutlich aneiert, ist, dass eine junge Frau aus dem Regelbetrieb aussteigt und ihr Ding durchzieht. Das halten vor allem Jungs, die mal Dinoforscher oder Superheld werden wollten und jetzt Versicherungsfachangestellte sind, schlecht aus… Als Tiger gestartet und als Bettvorleger…“