Update, 17.4.2020:
April 2020: Neues Polizeigesetz in Baden-Württemberg im Schatten der Corona-Krise – Ein Eingriff der grün-scharzen Landesregierung in die Versammlungsfreiheit
Mitte Dezember 2019 wurde in verschiedenen Städten in Baden-Württemberg gegen eine Verschärfung des Polizeigesetzes demonstriert, unter anderem etwa hundert Leute in Heilbronn. Der daraufhin präsentierte Entwurf fiel einiges abgemildert aus, als zunächst zu befürchten war (siehe https://mosbach-gegen-rechts.de/100-freiheitskaempfe-verteidigen/ ). Inzwischen wurde laut der Informationsstelle Militarisierung (IMI) inmitten der Corona-Krise ein Gesetzentwurf vorgelegt. An diesem eiligen Vorgehen und auch inhaltlich hat IMI etliches zu kritisieren (siehe https://www.imi-online.de/download/IMI-Analyse2020-20-PolBaWue.pdf ).
Der Autor kritisiert, dass „während der Corona-Krise“ und „unbemerkt von der Öffentlichkeit“ „ein Gesetzesentwurf durchgebracht werden soll, der sich drastisch von den Ankündigungen der vergangenen Monate unterscheidet“. Er sei in der Presse „weder umfangreich noch differenziert diskutiert worden“, „Rechtschreibfehler im neuen Gesetzesentwurf“ würden „auf eine sehr hektische und ungenaue Arbeitsweise“ hinweisen.
„Nach der Verabschiedung des neuen Polizeigesetzes sollen umfangreiche Durchsuchungen von Personen und Sachen im Zusammenhang mit Veranstaltungen und Ansammlungen, der Einsatz von Body Cams in Geschäftsräumen und Wohnungen, sowie grundlegend ausgeweitete Videoüberwachung im öffentlichen Raum ermöglicht werden. Forderungen nach einer Kennzeichnungspflicht, wie sie die [regierenden] Grünen bereits vor Jahren versprachen, sowie unabhängigen Ermittlungsstellen zur Aufklärung von polizeilichem Fehlverhalten bleiben weiterhin ungehört.“ Im Dezember 2019 hätten die Grünen „auf Anfrage der IMI ein Beteiligungsverfahren“ angekündigt, wovon schon Mitte Januar keine Rede mehr sein könne.
„Anfang März, als die Corona-Krise in Deutschland absehbar wurde, gab es dann erneut die Meldung einer Einigung der Grün-Schwarzen Koalition. Diese unterscheidet sich jedoch wesentlich von den Ankündigungen aus bisherigen Presseberichten. Die online veröffentlichte Pressemitteilung der Grünen unter dem Titel ‚Fragen & Antworten zum neuen Polizeigesetz‘ wurde schlicht und einfach editiert und eine grundlegend erneuerte Version hochgeladen. Die alte Version ist online nicht mehr abrufbar.“
Die markanteste Änderung zeige sich aber bei der inhaltlichen Umkehrung der Ankündigung der „Stärkung der Rechte der Besucher*innen von Großveranstaltungen. Die Formulierung, „es dürfen keine anlasslosen Kontrollen stattfinden“ habe sich zu einer „Ermächtigungsgrundlage für Durchsuchung und Identitätsfeststellung von Personen, bei gefährdeten Großveranstaltungen durch die Polizei“ gewandelt – also das Gegenteil der ursprünglichen Ankündigung, inhaltlich aber „so ungenau formuliert, dass der Umfang der neuen Regelungen damit nur angedeutet“ werde.
Der Gesetzestext ermögliche das pauschale Durchsuchen von Personen und Sachen bzw. die „Personenfeststellung“ bei „Großveranstaltungen“ bzw. „öffentlichen Veranstaltungen und Ansammlungen“, „die ein besonderes Gefährdungsrisiko“ aufweisen würden. Die IMI-Analyse dazu: „Es kann also auch Unbeteiligte, die sich einfach zufällig in der Nähe aufhalten, treffen. Die Maßnahmen könnten auch verwendet werden, um repressiv gegen Demonstrationen vorzugehen. Dies war bislang zwar bereits gängige Praxis der Polizei, aber eigentlich verfassungswidrig, weil dies potenziell an einer Demonstration Teilnehmende unverhältnismäßig einschüchtert und damit einen Verstoß gegen das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit darstellt.“ IMI kritisiert, dass hierdurch eine mehrdeutig interpretierbare Grundlage („eine Person in irgendeinem Zusammenhang mit einer als gefährlich klassifizierten Veranstaltung“) für Personenfeststellungen und -durchsuchungen geschaffen werde, was die Vermutung aufdränge, dass der Polizei hier bewusst ein möglichst großer Spielraum gelassen werde – zum Beispiel bei der Definition für ein besonderes Gefährdungsrisiko bei einer Veranstaltung. Dies könne nicht nur Großveranstaltungen betreffen, sondern „auch kleine Veranstaltungen, jegliche Ansammlungen und auch Demonstrationen, wie dies in der Vergangenheit schon bei linken und antifaschistischen Demos geschehen ist“. „Dass das zu beschließende Polizeigesetz auch in die Versammlungsfreiheit eingreift“, werde „explizit im Gesetzestext erwähnt.“ Von einer „sicheren Rechtsgrundlage“, wie sie Die Grünen versprachen – keine Spur.
Das Aufnehmen von Bild und Ton durch Polizei und Ordnungsamt sei zukünftig an einer „Verkehrs- oder Versorgungsanlage oder -einrichtung, einem öffentlichen Verkehrsmittel, Amtsgebäude oder einem anderen besonders gefährdeten Objekt“ möglich und erlaubt, „soweit Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass an oder in Objekten dieser Art Straftaten begangen werden sollen, durch die Personen, diese Objekte oder darin befindliche Sachen gefährdet sind“. Somit werde die Aufzeichnung an sogenannten gefährdeten Orten ermöglicht, was die Fortsetzung und Ausweitung der öffentlichen Videoüberwachung legalisiere. Projekte wie in Mannheim, wo seit der letzten Verschärfung 2017 eine automatisierte, sogenannte „intelligente“ Videoüberwachung erprobt werde, könnten so an neuen Orten entstehen. Auch hier vermisst die IMI-Analyse eine transparente Aussage, „welche Orte die Landesregierung als gefährlich einordnet.“ Auch gebe es „keine öffentlich einzusehende Liste, welche Veranstaltungen als gefährlich klassifiziert wurden oder weiterhin werden“.
Die IMI-Analyse kritisiert, dass die Landesregierung es nicht geschafft habe, die Öffentlichkeit bzw. Bevölkerung in einen angekündigten Beteiligungsprozess ernsthaft „mit einzubeziehen“: eine „google“-Suche nach dem Link zur Beteiligungsseite habe gezeigt, dass allein das Aktionsbündnis #NoPolGBW gegen das neue Polizeigesetz auf seiner Website auf den Link verweise. Inwieweit eine Bürgerbeteiligung durch die Landesregierung gefördert wurde, ist für IMI nicht ersichtlich:
„Die Planung des Projekts ist (ohne Beteiligungsmöglichkeiten für Bürger*innen) weit vorangeschritten und somit sind die aktuellen Möglichkeiten der Mitwirkung sehr klein. Dies erweckt den Eindruck, dass eine Mitwirkung von Bürger*innen gar nicht erwünscht ist, sondern lediglich durch Scheinbeteiligung ein besseres Außenbild gefördert werden soll.“
IMI stellt sich „ein ernsthaftes Verfahren … anders vor“. So eigentlich auch die Landesregierung: „Es geht […] darum, dass die Bürgerschaft und Entscheidungsträgerinnen und -träger frühzeitig über einen politischen Prozess ins Gespräch kommen, Argumente austauschen und im Idealfall zu einer gemeinschaftlichen Entscheidung finden. Beispiele für diesen Weg sind BürgerInnenräte, Bürgergutachten oder Mediationsverfahren.“
Die IMI-Analyse vermutet beim Vorgehen der „grün-schwarzen Landesregierung … bewusste Intransparenz“. Sie resümiert das Vorgehen abschließend:
Informationsseiten wurden ohne Hinweise auf vergangene Inhalte einfach abgeändert und auch wesentliche inhaltliche Änderungen nicht begründet. Eine solche Handlungsweise spricht in einer Zeit, in der die Corona-Krise die mediale Berichterstattung beherrscht, nicht für den Wunsch dieser Regierung, eine kritische Bürger*innenbeteiligung anzuregen. Böse Zungen könnten behaupten, dass die Krise als Mittel zum Zweck genutzt wird – spontan neue Inhalte einzubringen, denen vor einigen Monaten sehr kritisch öffentlich widersprochen wurde, … Wir erinnern uns an Kretschmanns Worte zur Verschärfung des Polizeigesetzes 2017: „Wir gehen an die Grenze des verfassungsmäßig Machbaren”. Spätestens mit der aktuellen Verschärfung könnte diese Grenze überschritten werden. Dass nun aufgrund der Corona-Krise Proteste praktisch nicht möglich sind, dürfte der Landesregierung dabei gut in die Karten spielen.
Anscheinend wurde erst nach der Veröffentlichung der Analyse von IMI-Online am 14. April die Möglichkeit des Kommentierens auf dem Beteiligungsportal mehr genutzt, davor waren es innerhalb eines Monats nur drei Beiträge, danach auf einmal dreizehn. (Stand vom 16.4.2020)
Bis zum 22. April 2020 ist es möglich, das Gesetz auf dem „Beteiligungs“portal zu kommentieren – danach könnte das Gesetz sehr schnell beschlossen werden. ( https://beteiligungsportal.baden-wuerttemberg.de/de/mitmachen/lp-16/anpassung-polizeigesetz/ )
18.12.2019
Für den 14. Dezember 2019 hatte ein Bündnis verschiedener Gruppen zu einer Demonstration in Heilbronn unter dem Motto „Freiheitskämpfe verteidigen – Repression stoppen“ eingeladen. Nicht ganz 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, davon etwa die Hälfte Kurdinnen und Kurden, folgten dem Aufruf (siehe unten) und zogen vom Parkplatz Wertwiese bis zur J.F.-Kennedy-Allee, wo die Abschlusskundgebung stattfand.
Das baden-württembergische Polizeigesetz vom 15.11.2017
Bereits am 15. November 2017 hatte der baden-württembergische Landtag (siehe ausführlich https://www.imi-online.de/2017/12/14/neues-polizeigesetz-in-baden-wuerttemberg/ ) ein neues Polizeigesetz verabschiedet, welches in einer Analyse der Tübinger Informationsstelle Militarisierung e.V. (IMI) als „weiterer Schritt hin zu einer militarisierten Polizei und Innenpolitik“ bezeichnet wurde. Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte bereits im Januar 2017 verkündet, mit dem nun verabschiedeten neuen Polizeigesetz „an die Grenzen des verfassungsrechtlich Möglichen zu gehen“. IMI: „Das in den Medien immer wieder fälschlicherweise als ‚Anti-Terror-Gesetz‘ bezeichnete Gesetzespaket enthält zahlreiche kritische Änderungen, bei denen zum Teil keinerlei Zusammenhang mit Terrorismus besteht. Die Bezeichnung ‚Überwachungs- und Polizeistaatsgesetz‘ wäre zutreffender.“ IMI geht ausführlich zu fünf Punkten des Gesetzes ein, die hier nur kurz genannt werden:
1. Die Polizei und der Landesverfassungsschutz dürfen Chats auch auf verschlüsselten Messenger-Diensten wie WhatsApp, Telegram oder Signal mitlesen, und zwar zur Prävention bei Verdacht auf schwere Kriminalität. So können auch unbescholtene Bürger*innen, die noch nie eine Straftat begangen haben, allein aufgrund des Verdachts einer ermittelnden Behörde überwacht werden. Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns in der BRD (wie die Unschuldsvermutung oder das Fernmeldegeheimnis) werden somit einfach missachtet. Zur Ausforschung von Chats soll ein „Staatstrojaner“ (zur sogenannten Quellen-Telekommunikationsüberwachung bzw. Quellen-TKÜ) ohne Wissen der Betroffenen auf ihr Smartphone oder ihren Computer gespielt werden, sodass die Nachrichten mitgelesen werden können.
2. Spezialeinsatzkommandos (SEK) der Polizei dürfen unter bestimmten Umständen Explosivmittel (Handgranaten, Sprenggeschosse aus Schusswaffen und konventionelle Sprengmittel) gegen Personen einsetzen. Diese Waffen, die eigentlich eher an Kriegsszenarien erinnern als an Polizeiarbeit, dürfen jedoch nur eingesetzt werden, wenn andere Waffen keinen Erfolg versprechen. Sie dürfen auch nicht gegen Menschenmengen eingesetzt werden. Der Anwaltsverband Baden-Württemberg kritisierte diese Änderung im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses, da die Notwendigkeit eines polizeilichen Einsatzes von Explosivmitteln nicht gegeben sei. IMI: „Die polizeilichen Sondereinsatzkommandos agieren somit immer ähnlicher militärischen Kommando-Soldat*innen.“
3. Die Polizei hat darüber hinaus die Möglichkeit, Kameraaufnahmen im öffentlichen Raum automatisch auszuwerten. In Echtzeit können durch diese sogenannte intelligente Videoüberwachung Verhaltensmuster erkannt werden, die „auf die Begehung einer Straftat hindeuten“. Eine biometrische Gesichtserkennung ist dabei nicht vorgesehen, sie wird im Gesetzestext jedoch auch nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Wie die eingesetzte Software Straftaten – im besten Fall schon bevor sie begangen werden – erkennen will, bleibt im Gesetzestext ebenfalls offen. „Das Wissen über die Überwachung und die Unsicherheit darüber, wann die Analysesoftware anschlägt, könnte dazu führen, dass die Bürger*innen unter Druck gesetzt werden, sich möglichst unauffällig und angepasst zu verhalten. Außerdem könnte intelligente Videoüberwachung zu verschiedenen Formen von Diskriminierung führen. Es ist nicht transparent, inwiefern die Technik Hautfarbe, Geschlecht oder Alter der Überwachten in die Bewertung einer Situation als gefährlich oder ungefährlich miteinbezieht.“
4. Ein weiterer strittiger Punkt im neuen Polizeigesetz Baden-Württembergs ist die Legalisierung eines massiven Eingriffs in die Privatsphäre: Sogenannte Gefährder*innen – also Menschen, die nicht unbedingt strafrechtlich in Erscheinung getreten sein müssen, aber von staatlichen Behörden (auf welcher Rechtsgrundlage auch immer) als gefährlich eingestuft werden – können seit dem 15. November 2017 mit Aufenthalts- und Kontaktverboten für bestimmte Orte und Personen belegt werden. Sie können explizit auch unter Hausarrest gestellt werden. Zur Überwachung der Einhaltung dieser Maßnahmen können die Betroffenen auch zur Anlegung einer elektronischen Fußfessel, einem technischen Gerät, das den Aufenthaltsort der Betroffenen überwacht, gezwungen werden.
5. Eine Regelung erlaubt es Ortspolizeibehörden, per Verordnung den Konsum und das Mitführen alkoholischer Getränke auf bestimmten öffentlichen Plätzen zeitlich begrenzt zu verbieten. Im Gegenzug wird das nächtliche Alkoholverkaufsverbot ab 22 Uhr aufgehoben. „Dies hat keinerlei Bezug mehr zur Bekämpfung von Terrorismus und zeigt besonders eindrücklich, dass das Gesetzespaket auch nicht vorrangig dieses Ziel verfolgt.“
„Vielmehr geht es der grün-schwarzen Landesregierung darum, die Bürger*innen, welche z.T. allesamt unter Generalverdacht gestellt werden, auszuspionieren und zu überwachen, unliebsame Bürger*innen aus dem öffentlichen Raum zu verbannen, die Polizei massiv zu militarisieren, ihre Befugnisse in verfassungswidriger Weise zu erweitern und einem Teil der Bürger*innen dabei gleichzeitig noch ein subjektives Gefühl von vermeintlicher Sicherheit zu vermitteln.“ Für das Gesetzespaket stimmten damals Grüne, CDU und SPD, dagegen waren nur FDP und AfD. Auch der Landesdatenschutzbeauftragte kritisierte das Gesetz: es führe zu einer „realen Einbuße an Freiheit“, wobei gleichzeitig offen bleibe, ob das Gesetz zu einer tatsächlichen Verbesserung der Sicherheitslage beitrage. Außerdem seien Teile des Gesetzes möglicherweise verfassungswidrig.
Die Verschärfung des Polizeigesetzes im Dezember 2019
Laut Medienberichten ( https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/Einigung-im-Koalitionsausschuss-Polizeigesetz-wird-verschaerft-Geduldete-mit-Job-koennen-hoffen,polizeigesetz-100.html und https://www.n-tv.de/regionales/baden-wuerttemberg/Opposition-will-neues-Polizeigesetz-genau-pruefen-lassen-article21454788.html ) fiel die weitere Verschärfung des Polizeigesetzes im Dezember 2019 nicht ganz so schlimm aus, wie es sich CDU-Innenminister Thomas Strobl gewünscht hatte.
„Demnach sollen Polizisten künftig etwa sogenannte Bodycams auch in Innenräumen einsetzen dürfen. Die Schulterkameras hat jede Streife in Baden-Württemberg dabei. Wenn bei Einsätzen in Häusern Gefahren drohen, darf die Kamera dann auch eingeschaltet werden: bei Streitigkeiten in Diskos, Clubs oder auch bei häuslichen Streitereien. Die Aufnahmen dürfen die Strafverfolgungsbehörden nur mit einer richterlichen Erlaubnis verwenden. Bodycams dürfen bislang nur außerhalb von geschlossenen Gebäuden eingeschaltet werden. … Bei Großveranstaltungen wie Fußballspielen, Demonstrationen oder auch auf Weihnachtsmärkten soll die Polizei in Zukunft verdächtige Personen durchsuchen dürfen und im Zweifel auch die Personalien aufnehmen. Bedingung ist: Es muss konkrete Hinweise geben, dass dort Straftaten passieren könnten. … Auch die automatische Erfassung von Autokennzeichen soll anders geregelt werden, nachdem das Bundesverfassungsgericht die bisherige Regelung für teilweise verfassungswidrig erklärt hatte.
Gescheitert ist die CDU mit ihren Forderungen nach „heimlicher Online-Durchsuchung, also das Durchsuchen ganzer Festplatten von Computern, um Terrorpläne zu vereiteln“, nach „Schleierfahndung“ („das Recht, die Feststellung der Identität von Menschen generell im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 Kilometern zu ermöglichen“, zum Beispiel in Karlsruhe) sowie der „Gefährdergewahrsam“, wonach Personen „in besonderen Einzelfällen zur Abwehr einer konkreten Gefahr für eine bestimmte Zeit in Gewahrsam genommen werden“ könnten.
Lea Elsemüller und Deniz Gedik, die Landessprecher der Grünen Jugend, kritisierten die Gesetzesverschärfungen: „Die Sicherheitslage hat sich nicht verändert und der jetzige Stand der Polizeigesetze gibt der Polizei schon sehr weitreichende Befugnisse“. Zudem widerspreche der Einsatz von Bodycams der Unverletzlichkeit der Wohnung. „Wirkliche Sicherheit entsteht vor allem durch Prävention und Bildung, nicht durch schärfere Polizeigesetze und auch nicht durch die größtmögliche Kontrolle des öffentlichen und privaten Lebens.“ Sie forderten hingegen eine Kennzeichnungspflicht für Polizisten.
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Demonstration am Samstag, 14. Dezember 2019 in Heilbronn, Wertwiesen-Parkplatz, 14 Uhr: Freiheitskämpfe verteidigen – Repression stoppen
Ein nie da gewesener Abbau der Freiheitsrechte steht uns bevor. Schon jetzt ist Repression ein stetiges Problem sozialer Bewegungen. Ob es sich um die Entziehung der Gemeinnützigkeit des Demokratischen Zentrums „DemoZ“ in Ludwigsburg oder der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) handelt [davor schon attac und Campact], ist die Repression ein mittlerweile gängiges Mittel, um emanzipatorische Arbeit zu unterbinden oder im Keim zu ersticken.
Auf Bestreben Horst Seehofers hin wurde versucht, den Rechtshilfevereins „Rote Hilfe e.V.“ zu kriminalisieren und der Mezopotamien-Verlag in Neuss durchsucht: Schriften wurden beschlagnahmt und verboten, obwohl diese Texte weder Aufrufe zu Straftaten beinhalteten, noch verfassungsfeindlich einzustufen waren.
Ebenso willkürlich sind die Hausdurchsuchungen gegen kurdische Genoss*innen, die in den Fokus der politischen Verfolgung geraten sind, indem sie sich gegen Krieg, Verfolgung und Faschismus engagiert haben. Im Vorfeld der Hausdurchsuchungen standen Demonstrationen gegen den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der Türkei in Nordsyrien, gegen Gewalt an Frauen, stiller Protest und Kundgebungen. Dies wurde wohl zum Anlass genommen Hausdurchsuchungen durchzuführen. Ein Zeichen von staatlicher Unterdrückung ist auch die Anzahl der Polizeikräfte während jeder pro-kurdischen Veranstaltung. Dies vermittelt den Eindruck: „Vorsicht! Diese Menschen sind gefährlich, es sind eventuell sogar Terroristen vor denen die Gesellschaft geschützt werden muss.“
Als Mittel der Repression werden regelmäßig auch aktive Antifaschist*innen, Kriegsgegner*innen und Klimaaktivist*innen kriminalisiert. Im Januar finden zwei Prozesse gegen Antifaschist*innen in Heilbronn statt.
Dies ist institutioneller Rassismus, dies ist Repression, die uns alltäglich begegnet und das jedem Menschen zustehende Grundrecht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit unterläuft. Sind die Menschen erst einmal kriminalisiert, ist es dann auch ein Leichtes sie abzuschieben. Die Zusammenarbeit von deutschem und türkischem Staat und die „Zu- und Abschiebung“ von „Gesuchten“ in die Türkei ist Zeichen der internationalen Repressionsstrategien.
Die staatliche Repression ist Mittel der Besitzenden und herrschenden Klasse. Damit soll versucht werden bestehende Verhältnisse, deren Ausprägung sich in sozialer und geschlechtlicher Ungleichheit, Ausgrenzung von Menschen mit Behinderung, Rassismus, Abwertung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, Transgenderpersonen und jeglicher Form von gruppenbezogenem Menschenfeindlichkeit manifestiert, aufrechtzuerhalten.
Um progressive Bewegungen, die sich gegen diese Zustände wenden, einschränken zu können, möchte der baden-württembergische Innenminister Strobl das Polizeigesetz (siehe StZ 25.8.2018 und Heise/Telepolis 25.1.2019 und Informationsstelle Militarisierung 25.1.2019 sowie Kontext Wochenzeitung 11.12.2019 ) erneut verschärfen, das sich am entsprechenden Polizeiaufgabengesetz von Bayern orientiert. Auf dessen Grundlage wäre es zukünftig möglich, ohne richterlichen Beschluss, lediglich auf Verdacht von Polizeibeamt*innen hin, Personen für drei Monate zu inhaftieren. Die Haft ist dann per richterlichem Beschluss immer für drei weitere Monate bis zur Unendlichkeit streckbar. Hier übernimmt die Exekutive die Aufgaben der Judikative, die Gewaltenteilung ist so nicht mehr gegeben, was somit verfassungsfeindlich wäre.
Hier ist die massive Gegenwehr der Gesellschaft zum Erhalt der Freiheitsrechte dringlichst erforderlich und unerlässlich. Daher rufen wir zu der Demonstration „Freiheitskämpfe verteidigen, Repression stoppen“ am 14. Dezember um 14:00 Uhr auf. Gemeinsam treffen wir uns am Parkplatz an der Wertwiese an der Kolpingstraße.
#freiheitsrechteverteidigen
#repressionstoppen