Die Redebeiträge auf der Nagasaki-Kundgebung 2023 in Mosbach
„Die Welt wird sich an diesen Tag erinnern…“
Nach dem ersten Atombombentest am 16. Juli 1945 in Los Alamos erklärte Oppenheimer dem euphorisch jubelnden Entwickler-Team in dem aktuellen Kinofilm: „Die Welt wird sich an diesen Tag erinnern!“ „Leider ja“, bedauerte Arno Huth von der veranstaltenden Initiative AtomErbe Obrigheim (IAEO) zu Beginn der Kundgebung auf dem Mosbacher Marktplatz anlässlich des 78. Jahrestages der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki am 6. und 9. August 1945. Weitere Beiträge waren ein Grußwort des Stadtrats Manfred Beuchert als Stellvertreter des verhinderten Mosbacher Oberbürgermeisters und „Mayor for Peace“ Julian Stipp und ein ausführicher Gastbeitrag von Dr. Robin Maitra von den „Internationalen Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkrieges – Ärzt*innen in sozialer Verantwortung“.
Die Initiative zeigte sich mit der Beteiligung von 25 Leuten an der Kundgebung zufrieden, auch wenn der freie Journalist Peter Lahr in der RNZ zurecht bemerkte, dass sie „doch eher schwach besucht“ war, „während sich Christopher Nolans Film Oppenheimer dieser Tage zum Blockbuster entwickelt“.
Unvorstellbare Dimensionen der Vernichtung
Damals töteten zwei Bomben unmittelbar rund 150.000 Menschen. Das entspricht etwa der Zahl von 144.000 Einwohnerinnen und Einwohnern, die der Neckar-Odenwald-Kreis heute zählt. Weitere Hunderttausende starben an den mittelbaren Folgen der beiden Atombombenabwürfe sowie der Atombombenversuche auf den Marshallinseln und in Nevada, in Polynesien und Algerien, in Kasachstan und anderswo. Ein Beitrag in der New York Times weist darauf hin, dass auch im Film Oppenheimer die Opfer von Los Alamos vergessen werden: Hispanische, indianische und weiße Bauern und Bäurinnen in der Umgebung erkrankten und starben später an Krebs, nachdem radioaktiver Asche auf ihr Land nieder ging.
Zu den ungeheuerlichen Dimensionen der Vernichtung in Hiroshima und Nagasaki ergänzte Dr. Robin Maitra:
Heute vor 78 Jahren um 11:02 Uhr wurde die 21-Kilotonnen-Plutonium 239-Bombe „Fat Man“ über Nagasaki gezündet. Nagasaki war eine Großstadt mit 240.000 Einwohnern. Innerhalb von Sekunden wurden 70 % der Fläche um das Epizentrum der Stadt dem Erdboden gleich gemacht. Bereits 3 Tage zuvor, am 6. August 1945 war über den 350.000 Einwohnern von Hiroshima die erste 16-Kilotonnen Atombombe „Little Boy“ gezündet worden und hatte ähnliche Verheerungen verursacht, die wohl nur mit apokalyptischen Visionen vergleichen werden können.
Wir sehen heute noch die Bilder aus Hiroshima und Nagasaki. Schon damals übertraf die Anzahl der Opfer und das Ausmaß der Zerstörung alle Vorstellungen und alles bisher Dagewesene. Unmittelbar nach den Detonationen der Atombomben starben an den direkten Folgen der Druckwelle, der Hitze und der Strahlenexposition geschätzt 100.000 Menschen. Neben der schweren Beschädigung der medizinischen Infrastruktur waren auch viele Angehörige des medizinischen Personals unter den Opfern. An eine ausreichende medizinische Versorgung war nicht zu denken. Weitere 130.000 Menschen starben in Hiroshima und Nagasaki bis Ende des Jahres 1945 und in den folgenden Jahren Tausende weitere nach unermesslichem Leid, Krankheit und Siechtum. … Noch heute leiden die Überlebenden unter den Folgen der Explosionen und den Spätfolgen, die auch spätere Generationen betroffen haben und immer noch betreffen.
Was nicht so sehr im Bewußtsein ist: Die damaligen Bomben sind im Vergleich mit heutigen Atomwaffen sehr klein: Die heutigen Atomwaffen sind durchschnittlich 5-30mal stärker als die damaligen Bomben. Die Zündung dieser heutigen Atombomben würde bei weitem ausreichen, jedes Leben auf diesem Planeten auszulöschen.
Auf dem Weg zur Abschaffung von Atomwaffen weltweit und in Mosbach
In der zweiten Hälfte der 2010er Jahre wurde eine neue Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen, kurz ICAN, gestartet, da die Atomwaffenstaaten ihrer Verpflichtung im rund 50 Jahre alten Nichtverbreitungsvertrag zur atomaren Abrüstung nicht nachkamen. Zum 75. Geburtstag des Inkrafttretens der Charta der Vereinigten Nationen (UNO) ratifizierte dann Honduras am 24. Oktober 2020 als 50. Staat den Atomwaffenverbotsvertrag (AVV). Dieser trat damit am 22. Januar 2021 in Kraft. Der Atomwaffenverbotsvertrag geht dabei über den Nichtverbreitungsvertrag hinaus und verbietet die Entwicklung, Produktion, Test, Erwerb, Lagerung, Transport, Stationierung und Einsatz von Atomwaffen sowie die Drohung damit. Atomwaffen sind damit verboten. Schon 2017 wurde ICAN für sein Engagement mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
Seit einem Jahr sind nur noch zwei Staaten hinzugekommen, die den Atomwaffenverbotsvertrag ratifiziert haben. Aktuell haben damit 92 Staaten den AVV unterzeichnet und davon 68 ratifiziert. Insbesondere Europa und die Europäische Union, die 2012 den Friedensnobelpreis bekommen hatte, fehlen weitgehend. Nur fünf Mini- und Kleinstaaten – der Vatikan, Österreich, San Marino, Irland und Malta – haben ratifiziert, zudem hat noch Liechtenstein unterzeichnet. Deutschland nimmt an dem Prozess zu einer atomwaffenfreien Welt nur als Beobachter teil, da die Luftwaffe der Bundeswehr über 20 US-amerikanische Atomwaffen in Büchel in der Eifel mitverfügt.
Diesem erfolgreichen und ermutigenden Prozess stehen jedoch bedrohliche gegenläufige Entwicklungen im Weg: die Ignoranz der Atommächte, die Modernisierung ihrer Atomwaffenarsenale, die Aufkündigung von Verträgen zur Begrenzung atomarer Rüstungsbegrenzung durch die USA und Russland, die drohende Eskalation der Konflikte, die Kündigung des Atomabkommens mit dem Iran durch die USA, der Atomwaffenkonflikt zwischen Nordkorea und den USA und vor allem die völlige Blockade aufgrund des Kriegs Russlands gegen die Ukraine unter Androhung des Einsatzes von Atomwaffen. Symbolisch verdeutlicht wird diese fatale und verfahrene Situation durch durch das Vorstellen der Weltuntergangsuhr von 100 auf 90 Sekunden vor Mitternacht. Arno Huth betonte daher die Dringlichkeit des Engagements „für eine atomwaffenfreie Welt und gegen die anderen Menschheitsbedrohungen.“
Im Oktober 2020 beschloss der Gemeinderat Mosbach den Beitritt der Stadt zum ICAN-Städteappell und des Oberbürgermeisters Michael Jann zum Bündnis der Bürgermeister für den Frieden. Die Mayors for Peace waren 1982 durch den Bürgermeister von Hiroshima gegründet worden und zählen heute weltweit rund 8.250 Mitglieder, davon etwa 850 in Deutschland. Als Nachfolger von Michael Jann übernahm Julian Stipp das Ehrenamt des Bürgermeisters für den Frieden, das er vorher schon als Bürgermeister in Salach inne hatte.
Unser Auftrag: „Liebt das Leben! Niemals wieder soll das Grauen derart über die Menschen kommen…“
In seinem Grußwort wies der Stadtrat Manfred Beuchert als Stellvertreter des Oberbürgermeisters auf die aus der Tragödie von Hiroshima und Nagasaki erwachsende Verantwortung und die Bedeutung der Völkerverständigung hin:
Gerade im Moment ist Erinnern und Mahnen und Wachsam-Sein wichtiger denn je. Die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki waren nicht nur ein tragisches Ereignis in der Geschichte Japans, sondern auch ein Wendepunkt für die gesamte Menschheit. Die Zerstörungskraft dieser Bomben war unvorstellbar und hat unzählige unschuldige Leben ausgelöscht und zigtausende Menschen schwerst verletzt.
Die Überlebenden, die Hibakusha, haben uns ihre Geschichten des Leidens und der Zerstörung übermittelt, und es ist unsere Pflicht, ihre Stimmen zu hören und aus der Vergangenheit zu lernen. Wir dürfen niemals vergessen, dass der Einsatz von Atomwaffen eine unermessliche menschliche Tragödie nach sich zieht. Die Auswirkungen auf die Umwelt, die Gesundheit der Menschen und die nachfolgenden Generationen sind verheerend. Es ist unsere Verantwortung, sicherzustellen, dass sich solch eine Katastrophe niemals wiederholt.
Oberbürgermeister Stipp setzt sich als Mayor of Peace dafür ein, dass unsere Stadt ein Ort des Friedens und der Versöhnung ist. Wir haben aus der Geschichte gelernt und sind bestrebt, eine Kultur des Dialogs und der Zusammenarbeit zu fördern. Wir arbeiten eng mit anderen Städten und Organisationen zusammen, um den Austausch von Wissen und Erfahrungen zu fördern und gemeinsam für eine atomwaffenfreie Welt zu kämpfen. Frieden beginnt vor Ort, bei jedem Einzelnen. Der Wert der Völkerverständigung nimmt gerade jetzt einen neuen Stellenwert ein. Ein Grund für uns, die Städtepartnerschaften zu pflegen und in Kontakt zu kommen mit Menschen in ganz Europa. Wir müssen uns bewusstmachen, dass der Frieden nicht von alleine kommt. Es erfordert Anstrengungen auf individueller, nationaler und internationaler Ebene. Wir müssen uns für Abrüstung einsetzen und die nukleare Bedrohung ernst nehmen. Jeder kann, jeder soll, nein jeder muss seinen Betrag leisten.
Beuchert schloss sein Grußwort mit einem Appell des damals überlebenden 20-jährigen Zeitzeugen Sunao Tsuboi: „Liebt das Leben! Niemals wieder soll das Grauen derart über die Menschen kommen wie an jenem 6. August um 8.15 Uhr in Hiroshima und am 9. August in Nagasaki. Niemand sollte jemals wieder so leiden, wie wir es getan haben.“
IPPNW – die „Internationalen Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkriegs“
Der Hauptredner Dr. Robin Maitra ist Hausarzt und Internist in Hemmingen im Landkreis Ludwigsburg und gehört dem Vorstand der deutschen Sektion der „Internationalen Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkriegs“ IPPNW und der Regionalgruppe Stuttgart an. Dr. Maitra ist darüber hinaus als Klimaschutzbeauftragter der Landesärztekammer tätig und weist auch auf die Folgen von Krieg für unser Klima hin.
Zu den „International Physicians for the Prevention on Nuclear war“ erläuterte Dr. Maitra: IPPNW „ist eine weltweite Organisation von Ärzt:innen, die sich der Verhütung des Atomkrieges verpflichtet hat.“
Unsere deutsche Sektion ist mit derzeit über 6.000 Mitgliedern eine der größten Friedensorganisationen in Deutschland. Gegründet wurde die IPPNW in der Hochphase des Kalten Krieges 1980 von dem US-amerikanischen Herzspezialisten Bernard Lown und seinem sowjetischen Kollegen Jewgeni Tschasow. Die beiden Ärzte nahmen über die Blockgrenzen zu einem Zeitpunkt Kontakt auf, als durch schieres Säbelrasseln und Hochrüstung wieder eine enorme Gefährdung vorherrschte. Durch die Gründung der Organisation wurde ein wichtiger Baustein gelegt, in einer waffen- und zornesstarrenden Welt mit einer enormen Kriegsgefährdung kleine Punkte des Friedens und weg vom Krieg zu schaffen. 1985 erhielt die IPPNW für ihre Anstrengungen um den Frieden den Friedensnobelpreis. Die IPPNW hat 2006 ICAN gegründet, die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen, die 2017 ebenfalls den Friedensnobelpreis erhalten hat. Gerade als Ärztinnen und Ärzte wissen wir um die Folgen von Strahlenschäden, wir wissen um die gesundheitlichen Folgen einer nuklearen Detonation für die Bevölkerung und wir können auch einschätzen, dass – rein aus medizinischer Sicht – die Bewältigung dieser gesundheitlichen Folgen reines Wunschdenken bleiben muss.
„Ein Atomkrieg ist nicht gewinnbar“ und „würde die Grundlagen unserer Existenz zerstören.“
Als IPPNW stehen wir mit vielen Pazifistinnen und Pazifisten auf dieser Welt mit aller Kraft und unserem Engagement dafür ein, dass ein Atomkrieg verhindert wird. Hiroshima und Nagasaki dürfen nie wieder geschehen. Ein Atomkrieg ist nicht gewinnbar, ein Atomkrieg ist nicht begrenzbar und eine atomare Auseinandersetzung darf nicht zum militärischen Kalkül gehören. Die Begründung ist einfach und unwiderlegbar: Ein Atomkrieg heute würde die Grundlagen unserer Existenz zerstören.
Gefährliche Eskalationsstufen und nukleare Risiken im Krieg Russlands gegen die Ukraine
Mit dem verbrecherischen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine wurde ein Krieg losgetreten, der gefährliche Stufen der Eskalation in sich birgt. Mit dem Krieg in der Ukraine ist die Gefahr der Auslösung eines Atomkriegs so greifbar nah wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Nicht nur, dass Wladimir Putin mehrfach mit der Aktivierung des Atomwaffenarsenals gedroht hat und die Alarmbereitschaft erhöht ist. Das sind keine leeren Drohungen und sollte nicht nur als Bluff verstanden werden. Russische Atomwaffen wurden wieder nach Belarus geliefert und dort mit großer Drohgebärde stationiert. Wer weiß heute schon um die Sicherheit der Kontrollmechanismen und die Gefahr eines Atomkrieges aus Versehen, der aus technischen Fehlermeldungen entstehen kann. Aber auch so ist die Lage brandgefährlich, zu keinem Zeitpunkt ist eine kriegerische Situation vollständig kontrollierbar. Und denkbar ist vieles: Die russische Militärdoktrin lässt einen nuklearen Erstschlag bei existentieller Bedrohung des Staatsgebietes zu. Übrigens behält sich auch die NATO als militärisches Verteidigungsbündnis die Möglichkeit zum nuklearen Erstschlag zu.
Dabei droht die Eskalation des Krieges nicht nur in Form einer Nutzung der vorhandenen Atomwaffen. Dieser Krieg zeigt deutlich, dass auch die sogenannte friedliche oder zivile Nutzung der Atomenergie ein Hirngespinst ist. Die ohnehin schon fragliche Sicherheit der Atomanlagen ist in Kriegszeiten mehr als fraglich. Durch die Kämpfe bestand schon mehrfach eine unkontrollierte Gefährdung der Stromversorgung und Kühlsysteme der Atomanlagen. Ein Ausfall dieser Systeme hätte – wie 1986 in dem gerade mal 1000 km entfernten Tschernobyl – eine nukleare Katastrophe zur Folge.
All diese Gefahren sind uns bewußt – und natürlich auch den Verantwortlichen in den Regierungen dieser Welt. Niemand hingegen weiß, ob ein Wladimir Putin immer alle Eventualitäten so kontrolliert, dass er sich immer an seine eigene Erkenntnis erinnert, dass ein Atomkrieg für niemanden zu gewinnen ist.
Die Lösung des Konfliktes ist dabei in weiter Ferne. Inzwischen ist aus dem Krieg ein Dauerzustand geworden. Das Selbstverteidigungsrecht ist der Ukraine natürlich auf gar keinen Fall abzusprechen. Dennoch sehen wir, dass immer mehr und immer schwerere Waffen in anderthalb Jahren nichts, aber auch gar nichts dazu beigetragen haben, den Konflikt zu befrieden.
Es sind inzwischen Hunderttausende Menschen verletzt und gestorben, Millionen aus ihrer Heimat vertrieben. Die Raketen- und Drohnenangriffe Russlands gehen mit unverminderter Härte weiter; die ukrainische Gegenoffensive kommt nicht weiter. In den Nachrichten hören wir täglich von weiterem Leid, ohne dass auch nur ein Minimum an Besserung zu verzeichnen wäre. Die Auswirkungen des Krieges wirken hingegen weltweit – denken wir nur an die ausbleibenden Getreidelieferungen in die Länder Afrikas.
Auch dieser Krieg wird durch Verhandlungen beendet werden müssen: „Wir müssen von einer Kriegslogik zu einer Friedenslogik kommen.“
Tatsächlich wird dieser Krieg wie die meisten kriegerischern Auseinandersetzungen dieser Welt durch Verhandlungen beendet werden müssen. Hierzu müssen – wahrscheinlich unter internationaler Vermittlung – Gesprächsebenen eingerichtet werden. Auch wenn es schmerzt – und noch einmal: ohne den Angriffskrieg Russlands in irgendeiner Weise relativieren zu wollen: Verhandlungen werden zwischen Kriegsgegnern geführt werden müssen. Die Gefangenenaustausche und die Getreideabkommen zeigen, dass Gespräche zumindest punktuell möglich sind. An diesem Punkt müssen wir ansetzen und in dieser Überzeugung müssen wir auch als Zivilgesellschaft aktiv werden. Wir müssen von einer Kriegslogik zu einer Friedenslogik kommen, von der militärischen Eskalation weg zu einer friedenssuchenden Deeskalation, die immer auch die Sicherheitsinteressen der anderen respektiert.
Die Folgen der Atombombenabwürfe
In Japan zeigt sich, dass die Folgen der Atombombenabwürfe bis heute zu spüren sind, auch wenn die meisten direkt Betroffenen nicht mehr am Leben sind. Während die ersten Überlebenden in der Folge an Krebs und anderen strahlenbedingten Krankheiten gestorben sind, finden wir die genetischen Folgen der Atombomben auch in der 2. und 3. Generation der Überlebenden. Der Schluss ist klar: Als Ärztinnen und Ärzte werden wir im Falle der Zündung von Atombomben nicht helfen können, die Anzahl der Opfer würde die Kapazitäten unseres Gesundheitswesens bei weitem übersteigen, das Leiden auch an Langzeitfolgen wäre unermesslich.
Das Spiel der Atomwaffenmächte mit dem atomaren Feuer
Als wäre das alles nicht zu ermessen, spielen viele Atomwaffenmächte mit dem atomaren Feuer: Nicht nur, dass alle Atomwaffenstaaten ihre Arsenale modernisieren und die Technik des Todes perfektionieren. Immer mehr Staaten entwickeln das Potential, diese unfassbar tödlichen Massenvernichtungswaffen zu produzieren. Inzwischen lagern geschätzte 13.000 Atomraketen in den Arsenalen dieser Erde. Eine immer größere Menge und immer perfektere Tötungstechnologie erhöhen die Gefahr eines Atomwaffeneinsatzes.
Auch bisherige Sicherungssysteme wurden gekündigt, relativiert und nicht eingehalten. Das 1987 geschlossene INF-Abkommen zur Reduzierung mittelweiter Flugkörper wurde durch die USA unter Donald Trump 2019 gekündigt. 2002 waren die USA vom ABM-Vertrag mit der Begrenzung von Raketen-Abwehrsystemen zurückgetreten, und entsprechende Systeme in Polen und Rumänien installiert. 2020 wurde das Open-Skies-Abkommen für gegenseitige Luftüberwachung gekündigt. Das zuletzt verlängerte New-START Abkommen zwischen Russland und der USA zur Begrenzung strategischer Nuklearwaffen wurde von der russischen Regierung im Kontext des Ukrainekrieges ausgesetzt.
Unsere Hoffnung: die globale Mobilisierung der Zivilgesellschaft für den Atomwaffenverbotsvertrag
Diese Entwicklungen erfüllen uns mit großer Sorge. Was treibt die Herrschenden in dieser Welt dazu, die mühsam errungenen Sicherheitsabkommen und Verträge meist einseitig aufzukündigen? Was bringt Regierungen dazu, ihre Bevölkerungen dem Risiko einer atomaren Auseinandersetzung auszusetzen? Hier müssen wir uns als Zivilgesellschaft wehren, hier müssen wir laut werden und hier müssen wir – so wie heute – zeigen, dass dies nicht unsere Politik ist.
Tatsächlich gab es in den letzten Jahren aber auch Lichtblicke: Der 2017 angenommene Atomwaffenverbotsvertrag trat im Januar 2021 in Kraft. Er verbietet die Entwicklung, Produktion und den Besitz von Atomwaffen, außerdem die Weitergabe, die Lagerung und Stationierung, den Einsatz wie auch die Androhung des Einsatzes. … Deutschland hat den Vertrag nicht unterzeichnet und führt immer noch die Begründung an, man müsse an der nuklearen Teilhabe und der Abschreckungsdoktrin festhalten, solange die Atommächte nicht abrüsteten. Nukleare Teilhabe heißt aber ganz konkret, dass Deutschland im Rahmen der NATO-Mitgliedschaft im sogenannten Bündnisfall gezwungen ist, mit deutschen Piloten und deutschen Flugzeugen Atomwaffen der NATO zum – wie soll man sagen – zum Einsatz zu bringen. Deutschland steigt somit nicht nur aktiv in den Krieg ein, sondern wird ganz eindeutig eine Kriegspartei – mit allen schlimmen Folgen für die Land. Dies kann nicht unser Interesse sein und dies müssen wir mit all unseren Kräften verhindern.
Ich gebe aber die Hoffnung nicht auf und vielleicht sind gerade beim AVV leise Zeichen des Umdenkens sichtbar: Deutschland war 2022 erstmalig als Beobachter bei der Staatenkonferenz in Wien anwesend und wird dies hoffentlich auch bei der folgenden Konferenz im November 2023 in New York sein.
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock hatte bei den Überprüfungskonferenzen des 1970 abgeschlossenen Atomwaffensperrvertrages– und das begrüßen wir ausdrücklich – die humanitären Auswirkungen von Atomwaffen anerkannt. Was hierzu aber nicht passen will, ist die Akzeptanz der Modernisierung der Atomwaffenarsenale – auch derjenigen Atomwaffen, die in Deutschland auf dem Fliegerhorst in Büchel gelagert werden. Was hierzu nicht passt, ist der beschlossene Kauf von 22 F35 Tarnkappenbombern, die mit Atomwaffen bestückt werden können und die sogenannte nukleare Teilhabe Deutschlands fortsetzen – den Bündnisfall hatte ich erwähnt. Was hierzu auch nicht passt, ist das 100-Milliarden-Programm für die Aufrüstung der Bundeswehr. Und – was hierzu wirklich gar nicht passen will, ist die Aussage von Frau Baerbock, dass „der Einsatz für nukleare Nichtverbreitung und nukleare Abschreckung in diesen Zeiten kein Widerspruch“ sei.
Die Anschaffung der Kampfjets und der Umbau des Luftwaffenstützpunktes Büchel wird bis zu 10 Milliarden Euro kosten.
Unser Widerspruch – 78 Jahre nach Hiroshima und Nagasaki…
Hier müssen wir laut und deutlich protestieren, hier müssen wir mit aller Kraft widersprechen. Das ist falsch und das ist nicht wahr: Nukleare Abschreckung löst kein Problem. Nuklearwaffen sichern keinen Frieden und Nuklearwaffen bergen in den immer komplexer werdenden Systemen die Gefahr von Fehlalarmen. Automatisierte Alarmierungsketten und immer kürzere Reaktionszeiten durch die Entwicklung extrem schneller neuer Atomwaffen wie zum Beispiel Hyperschallwaffen machen es immer möglicher, dass Alarmierungsfehler nicht mehr korrigiert werden können. Es muss nicht einmal ein „flexibler“ oder „präventiver Atomschlag“ sein, mit dem manche Militärs liebäugeln – tatsächlich ist die Gefahr eines Atomkriegs „aus Versehen“ auch dieser Tage ganz greifbar.
78 Jahre nach den Atombombenexplosionen in Hiroshima und Nagasaki stehen wir hier und sehen, dass Deutschland Waffen in Kriegsgebiete liefert. Ohne jeden Zweifel steht der Ukraine das Recht auf Selbstverteidigung zu. Aber die Lieferung von Waffen, die immer weitere Eskalation des Konfliktes mit der Beteiligung Russlands und der zunehmenden Beteiligung der NATO wird nicht zum Frieden beitragen. Was wir brauchen, ist nicht der Einsatz von Waffen, Mitteln und Material zur Eskalation des Konfliktes.“
78 Jahre nach Hiroshima und Nagasaki fordern wir deshalb von den Atommächten der NATO und von Russland und China den öffentlichen Verzicht auf den Einsatz von Atomwaffen.
78 Jahre nach Hiroshima und Nagasaki fordern wir Russland und die Ukraine auf, Gespräche für einen Waffenstillstand aufzunehmen. Unter neutraler Vermittlung von UN, OSZE oder anderen müssen Verhandlungen geführt werden, die die Sicherheitsaspekte aller Parteien berücksichtigen. Anders wird es keinen Frieden geben.
Von der deutschen Regierung fordern wir die tatkräftige Unterstützung aller Friedensbemühungen und die Beendigung von Waffenlieferung in die Ukraine.
Deutschland muss endlich dem Atomwaffenverbotsvertrag beitreten und die Vereinbarungen zur nuklearen Teilhabe aufkündigen.
78 Jahre nach Hiroshima und Nagasaki wissen wir: Nur mit Verständigung und Verhandlungen und Abrüstung wird es uns gelingen, Kriege zu beenden und einen Atomkrieg zu verhindern. Lasst uns dafür alle Anstrengungen unternehmen.
Weitere Entwicklungen im Bereich der Atomrüstung
In einem ausführlichen Beitrag zum Abschluss ging Arno Huth auf weitere internationale Gefahren im Bereich der Atomrüstung ein, stellte einen Vorschlag von Friedensnobelpreisträger Oscar Arias hinsichtlich atomarer Abrüstung und Deeskalation im Ukrainekrieg vor und bat die Kundgebungsteilnehmer und -teilnehmerinnen zur Unterzeichnung eines Appells der Initiative AtomErbe Obrigheim an die Bundesregierung. Er führte unter anderem auf:
– Auch der französische Präsident Macron möchte mehr Mittel in seine Atomwaffen stecken. Vor wenigen Jahren hatte er den Zusammenhang zwischen ziviler und militärischer Atomkraftnutzung betont und dabei erklärt, dass das eine nicht ohne das andere zu haben sei.
– Nordkorea führte wieder etliche Tests mit atomwaffentauglichen Raketen durch und möchte noch mehr Atombomben produzieren. Inzwischen diskutieren auch Politiker in Japan und Südkorea die Stationierung von US-amerikanischen Atomwaffen. Im Juli provozierten dann die USA mit dem Einlaufen von einem (oder zwei) atomar bestückten U-Boot in Südkorea. Im Gegenzug wohnten dann Russlands Verteidigungsminister Schoigu und ein Mitglied des chinesischen Politbüros einer nächtlichen Militärparade in Pjöngjang bei der Präsentation neuer Waffensysteme bei.
– Auch China erhöht die jährlichen Ausgaben für sein Militär und sein Atomwaffenprogramm massiv, während gleichzeitig die USA eine geopolitische und wirtschaftliche Auseinandersetzung mit China vorantreibt.
– In Anwesenheit von Verrteidigungsminister Pistorius unterzeichnete Thyssenkrupp mit Indien einen Vertrag über den Bau von sechs U-Booten. Gebaut würden die U-Boote, deren Auftragswert auf 5,2 Milliarden Dollar geschätzt werden, komplett in Indien. Ob diese möglicherweise – wie schon einmal beim Bau von U-Booten für Israel – so umgebaut werden können, dass sie atomwaffentauglich sind, wurde nicht öffentlich erörtert.
– Nachdem die USA unter Präsident Trump 2018 aus dem Atomabkommen mit dem Iran ausgestiegen waren, begann der Iran wieder mit der höheren Anreicherung von Uran auf mittlerweise 84 Prozent. Benötigt werden zur Atomwaffentauglichkeit 90 Prozent, wozu technisch nur noch ein kleiner Schritt sei. Gleichzeitig versicherte der Iran dem Generaldirektor der Internationalen Atomenergie-Agentur Grossi, genauere Kontrollen zu erlauben.
– Immer wieder gibt es Gerüchte über Ambitionen Saudi-Arabiens auf Atomwaffen. Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman sprach im März 2018 deutliche Worte: „Saudi-Arabien strebt nicht nach der Atombombe. Aber sollte Iran die Bombe entwickeln, würden wir schnellstmöglich nachziehen, ohne jeden Zweifel.“ Saudi-Arabien möchte 16 Atomreaktoren bis zum Jahr 2032 bauen. Die Vereinigten Arabischen Emirate planen 14 Atomkraftwerke und haben das erste schon 2020 in Betrieb genommen. Vor Jahren wurde schon einmal spekuliert, ob Saudi-Arabien über eine nukleare Teilhabe am Atomwaffenarsenal Pakistans verfügt. Entspannt wurde das Verhältnis zwischen Saudi-Arabien und Iran durch die Vermittlungstätigkeit Chinas.
Ein Vorschlag von Oscar Arias und Jonathan Granoff zur nuklearen Abrüstung im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg
Vor über einem Jahr im Juli 2022 traten Oscar Arias und Jonathan Granoff mit einem bemerkenswerten Vorschlag zur nuklearen Abrüstung im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg an die Öffentlichkeit. Jonathan Granoff ist Vorsitzender eines Instituts für globale Sicherheit.
Oscar Arias war Friedensnobelpreisträger im Jahr 1987 für sein Vorgehen zur Herstellung eines dauerhaften Friedens in Mittelamerika und zwei Mal Präsident von Costa Rica – ein Staat, der 1949 das Militär abgeschafft hatte, der sich 1983 für dauerhaft neutral erklärt hatte. Costa Rica gilt als die Schweiz Mittelamerikas und wurde seither im Gegensatz zu anderen zentralamerikanischen Staaten von Diktatur, rechten Todesschwadronen und Guerillakämpfen verschont. Das Land hat eine relativ stabile Demokratie, ein funktionierendes Schulsystem, eine kostenlose medizinische Versorgung und mehr Nationalparks als anderswo auf der Welt und zwar 30 Prozent seiner Landesfläche. Seinen Strombedarf deckt Costa Rica zu fast hundert Prozent mit regenerativen Energien.
Arias und Granoff erklärten: „Es ist Zeit für mutigere Bemühungen um Frieden in der Ukraine.“ Sie schlugen vor, dass die USA als einseitiges Zeichen alle US-Atomwaffen aus Europa und Türkei zurückziehen sollten. Damit könne Putins Aufmerksamkeit erreicht werden, ihn an den Verhandlungstisch zu bewegen und möglicherweise einem Ende des Krieges in der Ukraine zuzustimmen.
Dieser Vorschlag wäre seitens der USA ein Zeichen der Deeskalation im sich immer mehr verhärtenden Ukraine-Krieg. Dies könnte Putin wirksam bewegen und ihm eines seiner wichtigsten Propaganda-Argumente für seine gnadenlose Aggression berauben. Die konventionelle Verteidigungsfähigkeit Europas gegenüber dem Aggressor Russland im Ukraine-Krieg bliebe dabei voll erhalten. Insofern gäbe es keine Sicherheitsrisiken für Europa.
Appell zur Beendigung der nuklearen Teilhabe als Beitrag Deutschlands zu Friedensverhandlungen
Leider hat dieser wichtige Vorschlag keinen Eingang in die deutschen Medien gefunden und wird offensichtlich auch nicht in der Bundesregierung diskutiert. Dabei ist der Abzug aller US-Atomwaffen aus Europa und damit auch aus Deutschland eine langjährige Forderung auch der grünen Regierungspartei. So hatte die Kanzlerkandidatin der Grünen und jetzige Außenministerin Annalena Baerbock im letzten Bundestagswahlkampf den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland gefordert.
Wir erinnern auch an einen alle Fraktionen übergreifenden Bundestagsbeschluss aus dem Jahr 2010, der die Bundesregierung in 19 Punkten auffordert, sich für umfassende atomare Abrüstung zu engagieren, darunter auch „sich auch bei der Ausarbeitung eines neuen strategischen Konzepts der NATO im Bündnis sowie gegenüber den amerikanischen Verbündeten mit Nachdruck für den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland einzusetzen“.
Ich habe nicht den Eindruck, dass sich die Bundesregierung seither mit Nachdruck für umfassende globale atomare Abrüstung und für eine Beendigung der nuklearen Teilhabe Deutschlands eingesetzt hat. Vielmehr hat sie wie auch die anderen NATO-Staaten den internationalen Prozess zum Atomwaffenverbotsvertrag ignoriert und stattdessen die Stockholm-Initiative als Nebendiplomatie ohne politische Anbindung und ohne breite Trägerschaft betrieben.
Mir ist bewusst, dass sich seit dem russischen Krieg gegen die Ukraine die politischen Bedingungen für atomare Abrüstung äußerst stark verschlechtert haben. Gerade aber die Atomkriegsdrohungen Russlands und die sich verschärfenden internationalen geopolitischen Konflikte in der Welt bei gleichzeitiger Existenz von atomaren Massenvernichtungswaffen machen aus meiner Sicht das Engagement für atomare Abrüstung umso notwendiger.
Von der Kundgebung in Mosbach an die Bundesregierung
Deswegen haben wir, die Initiative AtomErbe Obrigheim, den Appell „Hören wir auf die Überlebenden: Beitritt zum UN-Atomwaffenverbotsvertrag!“, der in diesen Tagen in wenigen überregionalen Tageszeitungen erschienen ist, unterstützt und mitfinanziert. Er wird getragen von der Friedenswerkstatt Mutlangen, ICAN Deutschland, IPPNW Deutschland, der Kampagne „Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt“, dem Lebenshaus Schwäbische Alb – Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V. sowie Ohne Rüstung Leben e.V.
In einem eigenen Brief an den Bundeskanzler, den Verteidigungsminister und die Außenministerin werden wir, die Initiative AtomErbe Obrigheim, unter Berufung auf diesen Appell und auf die Initiative von Oscar Arias die Bundesregierung dazu auffordern,
– Atomwaffen aufgrund der katastrophalen humanitären Folgen ihres Einsatzes zu ächten und Entschädigungen der Atombombenopfer zu ermöglichen
– auch die zweite AVV-Staatenkonferenz im November 2023 als Beobachter zu begleiten und weitere Schritte auf dem Weg zu einem deutschen Beitritt zum Atomwaffenverbotsvertrag zu gehen
– die Aufgabe der nuklearen Teilhabe in die Wege zu leiten
– kooperative Sicherheit durch eine Politik der Friedenslogik in den Blick zu nehmen und damit die nukleare Abschreckung überwinden zu helfen
21 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Kundgebung unterschrieben diesen Appell an die Bundesregierung.
Unsere Aufgabe: das Überleben der Menschheit
In einem weiteren Beitrag vom letzten Dezember ergänzt Oscar Arias, dass sein Ansatz „den Wandel von der Überbetonung des militärischen Nationalismus hin zur Betonung der globalen menschlichen Sicherheit und Zusammenarbeit verstärken“ könnte.
Nur dann könne auch der Klimawandel, der Meeresschutz, die öffentliche Gesundheit und der Verlust der biologischen Vielfalt angegangen werden. „Wir dürfen die Menschheit nicht weiterhin gefährden und dürfen nie vergessen, dass unerwartete Fortschritte eintreten können, sobald in gutem Glauben Verhandlungen aufgenommen werden.“ Oscar Arias verweist dabei auf seine positiven Erfahrungen bei der Beendigung von Bürgerkriegen in Mittelamerika. Er appelliert: „Das Haus des Friedens baut sich nicht von selbst auf. Wir sind seine Zimmerleute.“
Unvorstellbare Summen werden zur Zeit in Militär und Rüstung investiert. Die weltweiten Ausgaben im Jahr 2022 summierten sich auf 2,24 Billionen, also 2.240 Milliarden US-Dollar. Das sind 130 Milliarden mehr als im Vorjahr. Dabei werden diese Gelder dringend im Kampf gegen den Welthunger, die Klimazerstörung und andere Aufgaben gebraucht. Der Hunger wird als „das größte lösbare Problem der Welt“ bezeichnet. Trotzdem stieg die Zahl der Hungernden wieder auf über 800 Millionen Menschen.
Die weltweiten Militärausgaben entsprechen fast der Summe von 2,6 Billionen Dollar jährlich, die der linkslibertäre Intellektuelle Noam Chomsky und der Wirtschaftswissenschaftler Robert Pollin in ihrem Buch „Die Klimakrise und der Globale Green New Deal“ berechnet hatten und die bis zum Jahr 2050 auf 4,5 Billionen jährlich gesteigert werden müssten – als Investitionen zur Begrenzung der Klimaerwärmung auf 1,5 Grad bis zum Jahr 2100 und zum Überleben der Menschheit.
Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri beklagt zudem die Milliardeninvestitionen der Atommächte zum Ausbau und zur Modernisierung ihrer nuklearen Arsenale. Der Sipri-Direktor Dan Smith warnt daher: „Wir driften in eine der gefährlichsten Perioden der Menschheitsgeschichte.“ Die neun Atomwaffenstaaten USA, Russland, Großbritannien, Frankreich, China, Indien, Pakistan, Nordkorea und Israel haben nun zum dritten Male in Folge ihre Atomrüstungsaufgaben auf nunmehr mittlerweile 83 Milliarden Dollar erhöht.
Kein einziger Atomwaffenstaat denkt daran, die Vernichtungssysteme aufzugeben. Russische Diplomaten haben den Atomwaffenverbotsvertrag als „Pakt der Schwächlinge“ verhöhnt, während die USA offenen Druck auf Nato-Staaten ausüben, dem Vertrag nicht beizutreten.
Der Zustand der Welt ist unerträglich, was die Zukunft der Menschheit und die Lebensgrundlagen ihres Planeten betrifft. Darum rufen wir Euch zum heutigen Nagasaki-Jahrestag wiederholt auf: