Autor: Arno
KUNDGEBUNG ZUM NAGASAKI-JAHRESTAG
Update vom 28. August 2022
Bericht von der Kundgebung zum 77. Nagasaki-Jahrestag auf dem Marktplatz Mosbach
Die Initiative AtomErbe Obrigheim IAEO konnte etwa 25 Leute auf dem Marktplatz Mosbach zu ihrer Kundgebung zum 77. Jahrestag der Atombombenabwürfe auf Hiroshima (6. August 1945) und Nagasaki (9. August) begrüßen.
Damals töteten zwei Bomben unmittelbar rund 150.000 Menschen. Das entspricht etwa der Zahl von 144.000 Einwohnerinnen und Einwohnern, die der Neckar-Odenwald-Kreis heute zählt. Weitere Hunderttausende starben an den mittelbaren Folgen der beiden Atombombenabwürfe sowie der Atombombenversuche auf den Marshallinseln und in Nevada, in Polynesien und Algerien, in Kasachstan und anderswo.
Im Namen der Initiative AtomErbe Obrigheim dankte Arno Huth dem scheidenden Mosbacher Oberbürgermeister Michael Jann, dass er sich im Jahr 2020 den Mayors for Peace angeschlossen und im Mosbacher Gemeinderat für den Beitritt der Stadt zum Städtebündnis der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen ICAN eingesetzt hatte. Sein Nachfolger Julian Stipp erklärte inzwischen auch, weiterhin die Aufgabe als „Mayor for Peace“ in Mosbach fortzusetzen, nachdem er dieses Ehrenamt schon in Salach inne hatte.
100 Sekunden vor Mitternacht: benötigt werden Billionen für Klimaschutz und Frieden
Arno Huth appellierte an die Zivilgesellschaft, mit Engagement dem Atomwaffenverbotsvertrag universelle Wirkung zu verschaffen. Das sei dringlicher denn je, wie die Drohungen Russlands, Atomwaffen einzusetzen, auf beängstigende Weise verdeutlichten sowie die weltweit weiter steigenden Militärausgaben, die dieses Jahr wohl die zwei Billionen deutlich überschreiten dürften. Das würde knapp der Summe von 2,6 Billionen Dollar jährlich entsprechen, die der linkslibertäre Intellektuelle Noam Chomsky und der Wirtschaftswissenschaftler Robert Pollin in ihrem Buch „Die Klimakrise und der Globale Green New Deal“ berechnet hätten und die bis zum Jahr 2050 auf 4,5 Billionen jährlich gesteigert werden müssten – als Investitionen zur Begrenzung der Klimaerwärmung auf 1,5 Grad bis zum Jahr 2100 und zum Überleben der Menschheit.
„Die sogenannte Weltuntergangsuhr war schon vor Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine auf 100 Sekunden vor Mitternacht vorgerückt. Hat sie früher nur die Gefahren für die Menschheit durch einen Atomkrieg beachtet, so berücksichtigt sie nun auch andere Bedrohungen für die Zukunft der Menschheit, insbesondere die Klimazerstörung.“ Die Lage der Menschheit spitze sich immer mehr zu.
Arno Meuter vom Bündnis Klimaschutz NOK zu Klimawandel, Frieden und Generationengerechtigkeit
Daher hatte die Initiative auch das Bündnis Klimaschutz NOK um einen Beitrag gebeten. Arno Meuter, der zudem im Kreisvorstand von Bündnis 90 / Die Grünen ist und die samstäglichen Mahnwachen für Solidarität mit der Ukraine mitorganisiert, stellte sich der Frage des Umgangs „mit einer Klimaschutzmaßnahme“, nämlich: „Keine Kinder zu bekommen. … Ein Mensch, der nicht geboren wird, hat einen ökologischen Fußabdruck von Null. Der Verzicht auf Flugreisen, das Nutzen von Bahn statt Auto oder eine vegane Ernährung können da nicht mal ansatzweise mithalten.“
Für Arno Meuter persönlich kommt „aber noch die moralische Ebene hinzu: Möchte man überhaupt in diese Welt ein Kind setzen? Wir leben in einer Welt, die eben nicht generationengerecht ist. Wie erklärt man seinem Kind später, dass man es trotz des Wissens über die Folgen der Klimakrise in die Welt gesetzt hat? Entscheide ich mich ein Kind zu bekommen, so mute ich ihm zu, in einer Welt groß zu werden“, in der Klimakatastrophen alltäglich seien. Und weiter: „Wenn mich mein Kind einmal fragen wird, ob ich denn wirkliches alles Mögliche dafür getan habe, jedes mögliche Gramm CO2 vermieden habe, werde ich nicht hundertprozentig mit einem ehrlichen JA antworten können.“
Angesichts der düsteren Zukunftsaussichten, dass das 1,5 Grad Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens voraussichtlich kaum mehr erreicht werden könne und dieses sowieso bestenfalls eine Schadensbegrenzung sei, appellierte Arno Meuter: „Es wird nicht genügen, sich auf die Bundes- oder Europapolitik zu verlassen. Wir müssen unsere Art des Lebens umstellen. Ansprüche, die wir über die Jahre als selbstverständlich, fast schon als natürlich zustehend ansehen, müssen wir aufgeben.“ Arno Meuter beschwor die gemeinsame Ablehnung dieses „kollektiv-suizidalen Weges und „die Vision einer friedlichen, einer gerechten Welt. Die Vision einer Welt, in der nicht mit einem Knopfdruck das Leben Hunderttausender zerstört werden kann, einer Welt, in der die Lebensqualität nicht davon abhängt, zu welcher Generation man gehört.“
Diese Vision müsse „anhaltend mühsam demokratisch erstritten werden. Wir streiten dabei nicht nur für eine bessere Welt für uns, sondern hauptsächlich für nachkommende Generationen. … Es gilt nicht Profit an erster Stelle. Der Profit im Jetzt verliert nun gegen die Lebensqualität kommender Generationen. Machtfantasien im Jetzt verlieren gegen echten, anhaltenden Frieden.“
Sinngemäß meinte Arno Meuter, es mache aber auch keinen Sinn, auf Kinder zu verzichten, sondern es gehe darum, wie wir mit unseren Lebensgrundlagen und unseren Mitmenschen umgehen. Es würden demokratische Mehrheiten für den Schutz unseres Planeten benötigt, für die Schaffung und Wahrung von Frieden.
Nachhaltigkeit durch Achtsamkeit
Ergänzend zu der von Arno Meuter angesprochenen Generationengerechtigkeit erinnerte Arno Huth an das „Sieben-Generationen-Prinzip“ der Irokesen-Liga als universelles Lebensprinzip zur Sicherung einer nachhaltigen Zukunft durch Achtsamkeit. Das „Sieben-Generationen-Prinzip“ gehe zurück auf das „Große Gesetz des Friedens“ der Irokesen-Liga, zu der sich vor bald 450 Jahren zunächst fünf Irokesenstämme demokratisch zusammen geschlossen hatten. Jede Handlung solle so gewählt werden, dass auch die kommenden Generationen, einschließlich der siebten, eine schöne und lebenswerte Erde vorfinden. Mensch solle sich also immer fragen, was die eigenen Handlungen für einen Einfluss unter anderem auf Pflanzen, Tiere, Wasser, Land, Luft und Menschen haben könnten. Die Irokesen versuchten demnach schon früh, an ihre Ur-ur-ur-ur-ur-Enkel zu denken, die erst knapp 200 Jahre später leben würden. Mit unseren Klimaprognosen hingegen würden wir es bestenfalls vielleicht bis ins Jahr 2100 schaffen mit einer großen Spannweite aus Ungewissheiten.
Für den Terminkalender: nächster Klimastreik-Tag in Mosbach am Freitag, 23. September
Hingewiesen wurde auf den nächsten Klimastreik-Tag am Freitag, den 23. September, der unter dem Motto „People not Profit“ vorbereitet wird und auch in Mosbach um 12.30 Uhr mit einer Demonstration stattfinden soll.
Roland Blach für die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen ICAN
Schließlich begrüßte Arno Huth den Hauptredner Roland Blach aus Marbach, 53 Jahre, dreifacher Familienvater, Koordinator der bundesweiten Kampagne „Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt“, als Mitarbeiter der Friedenswerkstatt Mutlangen unter anderem Projektkoordinator des Pacemakers Radmarathon zum Hiroshima-Jahrestag für eine friedliche und gerechte Welt ohne Atomwaffen. 2017 war Roland Blach als Teil des weltweiten ICAN Netzwerks zur Verleihung des Friedensnobelpreises in Oslo gewesen und zuletzt in Wien als Delegierter auf der 1. Staatenkonferenz zum Atomwaffenverbotsvertrag vom 21. bis 23. Juni 2022. Er koordiniert den ICAN-Städteappell in Deutschland, dem sich ja auch Mosbach im Jahr 2020 angeschlossen hatte.
Atomkriegsgefahr: Vor welcher „Zeitenwende“ steht die Menschheit?
Roland Blach begann mit einem Zitat von UN-Generalsekretär Antonio Guterres vom selben Tag: „Es ist 77 Jahre her, dass über Nagasaki ein Atompilz aufstieg. Wieder einmal spielt die Menschheit mit einer geladenen Waffe. Die Beseitigung von Atomwaffen ist die einzige Garantie, dass sie nie wieder eingesetzt werden.“
Roland Blach stellte „nach dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine … eine große Einheit in Politik, Medien und großen Teilen der Bevölkerung“ fest, „reflexartig die Unterstützung der notleidenden ukrainischen Bevölkerung mit immer mehr Waffenlieferungen und Aufrüstung der NATO-Ostflanke zu begegnen.“ Für ihn stellen sich aber andere Fragen: „Wie können in dieser Situation wieder Gespräche aufgebaut, gehalten und verstärkt werden, die einen Waffenstillstand vorbereiten und eine zivile und nachhaltige Lösung unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft ermöglichen? Welches Eskalationspotential droht oder könnte drohen?“
„Im Zentrum dieses Angriffskriegs und der langen Vorgeschichte stehe die atomare Abschreckung, die uns scheinbare Sicherheit garantiert, die Erpressbarkeit, die daraus entsteht und die reelle Gefahr eines Atomkriegs. Ob geplant oder aus Versehen. Für Staatengemeinschaften und die Weltbevölkerung. … Aufrüstungsprogramme, ob atomar oder konventionell, sind der völlig falsche Ansatz, um nachhaltigen Frieden zu erreichen, nicht nur und doch auch gerade in der Ukraine. Sie übergehen einzig die Menschen, die sich nichts sehnlicher als Frieden wünschen.“
„Erst Mitte Juni hat das Friedensforschungsinstitut SIPRI davor gewarnt, dass erstmals seit Jahren eine Erhöhung der weltweiten Atomsprengköpfe zu erwarten ist. Aktuell liegt die Zahl bei 12.700. Denn alle Staaten würden ihre Arsenale modernisieren. Das Risiko eines Atomkriegs sei höher als zu jedem Zeitpunkt seit dem Höhepunkt des Kalten Krieges“, habe der Direktor von SIPRI gewarnt.
Rückblick auf den atomaren Rüstungswettlauf
Roland Blach blickte auf die Geschichte des atomaren Rüstungswettlauf seit 1945 zurück, „in welchem ein unvorstellbares atomares Vernichtungspotenzial aufgebaut wurde und die Welt manches Mal an den Rand des Abgrunds“ gebracht wurde. „Bis heute zementieren die fünf offiziellen Atommächte USA, Russland, VR China, Großbritannien und Frankreich die Weltunordnung durch ihren ständigen Sitz im Weltsicherheitsrat der UNO. In ihrem Gefolge die späteren Atomwaffenstaaten Israel, Indien, Pakistan und Nordkorea sowie alle Staaten, die unter dem nuklearen Schutzschirm der NATO stehen.“
„Es gibt keine verlässlichen Zahlen darüber, wie viel Billionen Euro dafür ausgegeben und damit einer sinnvollen und friedlichen Entwicklung der Menschheit entzogen wurde. Nach amerikanischen Schätzungen sind ein Drittel aller Rüstungsausgaben auf die Atomrüstung entfallen.
Sehr früh wurde erkannt, welch ein Wahnsinn die Forschung, Entwicklung, Produktion und Einsatz dieser Massenvernichtungswaffen sind. Proteste vielfältiger Art führten zu wichtigen Verträgen und Abrüstungsmaßnahmen. Auch wenn diese den Irrsinn der Hochrüstung und der Drohung mit der atomaren Vernichtung noch nicht stoppen konnten.“
„Mit der Überwindung der Ost-West-Konfrontation schien es für eine kurze Zeit möglich, weitere weitreichende Abrüstungsschritte in Gang zu setzen. Atomwaffenarsenale wurden massiv abgebaut. Die Annäherung zwischen dem Westen und der damaligen Sowjetunion schien stabilisierend zu wirken. Der Internationale Gerichtshof erklärte 1996 den Einsatz und die Androhung eines Einsatz von Atomwaffen als völkerrechtswidrig.“
Doch nach „einer kurzen Phase der Entspannung in den 1990er Jahren tauchten neue Bedrohungen am Horizont auf, ein atomares Wettrüsten eingeschlossen, bestärkt durch die Zeitenwende nach 09/11“ [Terrorangriff auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001 und anschließend ausgerufener „Krieg gegen den Terror“ mit Militärinterventionen in Afghanistan und im Irak]. Verträge zur atomaren Rüstungsbegrenzung usw. wurden gekündigt.
Der Atomwaffenverbotsvertrag als ermutigende historische Errungenschaft
Diese schleichende verhängnisvolle Entwicklung im Blick wurde 2006 die International Campaign to Abolish Nuclear Weapons (ICAN) gegründet mit dem Ziel eines Atomwaffenverbotes. Nach vielen Beratungen an der UNO beschlossen 122 Staaten am 7. Juli 2017 den Atomwaffenverbotsvertrag (AVV).
Als ICAN am 10. Dezember 2017 der Friedensnobelpreis verliehen wurde, war es für Roland Blach „das prägendste politische Ereignis“ seines Lebens, als er mit rund 300 CampaignerInnen in Oslo dabei war. Er zitiert die ICAN-Direktorin Beatrice Fihn: „Es ist ein Affront gegen die Demokratie, dass wir von diesen Waffen regiert werden.“ Und die Hiroshima-Überlebende Setsuko Thurlow: „Die Entwicklung von Kernwaffen bedeutet nicht den Aufstieg eines Landes zu Größe, sondern seinen Abstieg in die dunkelsten Tiefen der Verderbnis.“
Seit Freigabe des Vertrags haben 86 Staaten den AVV unterzeichnet und 66 ratifiziert. Er war am 22. Januar 2021 in Kraft getreten: Entwicklung, Herstellung, Lagerung, Weitergabe, Erwerb, Besitz, Testung und der Einsatz von Atomwaffen sind seitdem für die Vertragsstaaten verboten. Und auch wenn sich ihm die Atommächte und die über Atomwaffen mitverfügenden Staaten (wie Deutschland) verweigern, so ist Roland Blach überzeugt: „er baut einen immer stärkeren Druck auf“. Der AVV sei „ein menschengemachtes Wunder“ und wecke „Zuversicht, Hoffnung, ein weltweites Gefühl der Gemeinschaft und des Selbstbewusstseins“, sich „gegen die Zerstörung dieses wunderbaren Planeten zu stellen.“
Der österreichische Diplomat Alexander Kmentt fasst die Bedeutung des Atomwaffenverbotsvertrags im Vorfeld der 1. Staatenkonferenz zusammen: „Der AVV ist eine historische Errungenschaft, welche die völkerrechtliche Lücke des Verbots von Nuklearwaffen schließt. Der Vertrag schafft die rechtliche Voraussetzung für echte nukleare Abrüstung und bietet mit dem Fokus auf die humanitären Auswirkungen und Risiken von Nuklearwaffen die diskursiven Argumente für den dazu notwendigen Paradigmenwechsel. … Der Krieg in der Ukraine und die russischen Nukleardrohungen bestärken die Argumente für den AVV und das Verbot von Nuklearwaffen. Die Fragilität eines Sicherheitssystems, das auf der nuklearen Abschreckung basiert, wird dadurch deutlich unterstrichen. Jeder Einsatz von Nuklearwaffen hätte katastrophale Auswirkungen: von der grenzüberschreitenden Strahlung bis hin zu massiven Fluchtbewegungen, dem Einbruch der Wirtschaft und weiteren gravierenden humanitären Folgen. Ein Vertrauen auf die Stabilität der nuklearen Abschreckung ist angesichts der gravierenden Risiken ein Wunschdenken. … Nuklearwaffen sind eine existentielle Bedrohung für die gesamte Menschheit.“
Die Atommächte stellen sich gegen die Menschheit
Schon am 20. Juni fand die Vienna Conference on the Humanitarian Impact of Nuclear Weapons statt, organisiert vom österreichischen Außenministerium. Sie brachte Hunderte VertreterInnen von Staaten, internationalen Organisationen, WissenschaftlerInnen, Überlebende und der Zivilgesellschaft zusammen, um sich über die humanitären Folgen und Risiken von Atomwaffen auszutauschen, um nukleare Abrüstung und Nichtverbreitung weiter voranzutreiben.
In einer Videobotschaft erteilte UN-Generalsekretär Antonio Guterrés den Auftrag: „Let’s eliminate the weapons before they eliminate us.“
Die Vertragsstaaten beschlossen in ihrer Wiener Erklärung der 1. Staatenkonferenz zum Atomwaffenverbotsvertrag, „seine Umsetzung voranzutreiben, mit dem Ziel, Atomwaffen weiter zu stigmatisieren und zu delegitimieren und stetig eine robuste globale zwingende Norm gegen sie aufzubauen.“ Ein neues globales Bündnis sei geschlossen worden.
Der Nagasaki-Überlebende Masao Tomonaga äußerte die Hoffnung: „Diese politische Erklärung ist ein sehr starkes Dokument, trotz vieler Schwierigkeiten, mit denen wir konfrontiert sind. Mit diesem kraftvollen Dokument können wir vorankommen, und alle Hibakusha unterstützen dies. Es ist ein großartiges Dokument, um meine Stadt, Nagasaki, zur letzten Stadt zu machen, die jemals unter einem Atombombenangriff gelitten hat.“
Roland Blach berichtet weiter: „Die Vertragsstaaten trafen auch wichtige Entscheidungen zur Verurteilung der jüngsten nuklearen Bedrohungen, zur Aufnahme der Arbeit an einem Treuhandfonds zur Unterstützung von Menschen, die durch die Auswirkungen nuklearer Explosionen geschädigt wurden, zur Einrichtung eines wissenschaftlichen Beirats, zur Festlegung einer 10-Jahres-Frist für die Zerstörung von Atomwaffen und zur Beantragung weiterer Maßnahmen, um es Ländern zu ermöglichen, dem AVV beizutreten.“
Der Standpunkt der deutschen Bundesregierung
Deutschland weigert sich zwar weiterhin, den Atomwaffenverbotsvertrag zu unterzeichnen, nahm bei der Staatenkonferenz aber als Beobachter teil. „Vertreter des Außenministeriums sagten stolz, dass sie das Ziel, eine atomwaffenfreie Welt zu erreichen, vollkommen teilen, und die Beweggründe und das Engagement der AVV-Vertragsstaaten in dieser Hinsicht erkennen, wobei sie insbesondere die vorgetragene humanitäre Perspektive schätzen. Allerdings hat die Bundesregierung derzeit keinerlei Absicht, den Vertrag zu unterzeichnen. Ihre Anwesenheit als Beobachtende liege im Interesse, die Komptabilität des AVV mit dem Nichtverbreitungsvertrag sicherzustellen.“ So die Einschätzung von Roland Blach.
Dass Deutschland als Beobachter auf der Konferenz „eine Stimme abgab“, sieht er als Anknüpfungspunkt für die Zivilgesellschaft. Optimistisch meint er: „Wann ein Beitritt möglich scheint, liegt an uns.“ Auch hätten mit Belgien und den Niederlanden noch zwei weitere NATO-Staaten der nuklearen Teilhabe teilgenommen.
Nebenbei wies Blach darauf hin, dass mit der nun vom 1. bis 26. August 2022 stattfindenden Überprüfungskonferenz zum Nichtverbreitungsvertrag NVV (auch Atomwaffensperrvertrag genannt) in New York eine weitere Möglichkeit als Schritt zu einem Neustart bestehe.
Erforderlich seien vertrauensbildende Maßnahmen
Gerade der Ukraine-Krieg zeige, wie schnell die Welt an die Schwelle des Atomkrieges geraten kann. Daher würden dringend vertrauensbildende Maßnahmen benötigt.
Roland Blach wandte sich gegen das (als „Sondervermögen“ deklarierte) 100-Milliarden-Aufrüstungspaket, mit welchem die Bundesregierung auch neue Atombomber F-35 anschaffen wolle. „Statt weiterer Aufrüstung ist es dringend erforderlich, darüber nachzudenken, wie nach dem Ukrainekrieg eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur in und außerhalb Europas – unter Einbeziehung Russlands, der VR China, allen anderen Atomwaffenstaaten in der Region sowie dem Iran – konstituiert werden kann. Wir benötigen dazu zunächst eine wahrhaftige Bereitschaft auf allen Seiten, einen Waffenstillstand in der Ukraine zu erwirken.“
Aufruf zum Hiroshima-Jahrestag an die Bundesregierung
Roland Blach las schließlich aus einem zum Hiroshima-Jahrestag in der taz, in der Wochenzeitung „Freitag“ und anderweitig veröffentlichten Aufruf, den auch die Initiative AtomErbe Obrigheim mit einer kleinen Spende unterstützt hatte:
Wir bitten die Bundesregierung,
– Atomwaffen aufgrund der katastrophalen humanitären Folgen ihres Einsatzes zu ächten
– auf dem Weg zur Unterzeichnung des Atomwaffenverbotsvertrags auf die atomare Bewaffnung neuer Kampfflugzeuge zu verzichten
– kooperative Sicherheit durch eine Politik der Friedenslogik in den Blick zu nehmen und damit die nukleare Abschreckung überwinden zu helfen.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Kundgebung in Mosbach unterschrieben diesen Aufruf, den die Initiative AtomErbe Obrigheim dann an das Außenministerium abschickte.
Engagiert Euch für eine „zivile Zeitenwende“
Abschließend rief Roland Blach mit einer Vision für das Jahr 2045 dazu auf, das „Ende des Atomzeitalters“ einzuläuten und eine nicht aufzuhaltende Dynamik bis hin zur Abschaffung aller Atomwaffen in Gang zu setzen. „Es ist Zeit für eine zivile Zeitenwende. Die weltweiten ökologischen, politischen und sozialen Herausforderungen und Konflikte können mit militärischen Mitteln nicht nachhaltig gelöst werden.“
„Richten wir den Fokus auf uns, unsere Kraft, unsere Ermutigungen und unsere Leidenschaft, was wir mit aktiver Gewaltfreiheit alles erreichen können. Glauben wir an das scheinbar Unmögliche. So viel wurde mit dieser Begeisterung in der Geschichte möglich. Stehen wir als Mensch und Gemeinschaft zusammen, um das scheinbar Unmögliche vorzubereiten und zu leben: eine Welt ohne Atomwaffen, eine Welt ohne Rüstung und Krieg. Mit Frieden und Vertrauen in und zwischen uns sowie zu unserer Mitwelt.“
Keine Laufzeitverlängerung, kein Streckbetrieb von Atomkraftwerken
In seinem Schlussbeitrag erklärte Arno Huth für die Initiative AtomErbe Obrigheim sein „Entsetzen“, „dass infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und der darauffolgenden Sanktionspolitik und eines drohenden Energiemangels im Winter in Deutschland die Widerrufung des Atomausstiegs kampagnenartig in der Öffentlichkeit vorangetrieben“ werde. Die Verstromung der Atomkraft sei „ein Irrweg, wie die Katastrophen von Harrisburgh, Tschernobyl und Fukushima, der ungelöste Umgang mit dem atomaren Erbe sowie verstrahlte Landschaften in den Uranabbaugebieten verdeutlichen.“ Er forderte „am vereinbarten Atomausstieg Ende des Jahres 2022 uneingeschränkt festzuhalten“ und verwies unter anderem auf „die immer zahlreicher auftretenden Risse in den Atomkraftwerken Lingen und Neckarwestheim“, die seit 2019 ausgesetzten regelmäßigen Sicherheitsuntersuchungen, und dass auch die Betreiber die Übernahme des Haftungsrisiko für mögliche Unfälle während eines Weiterbetriebs ablehnten. In Zeiten der drohenden Eskalation von Kriegen könnten Atomkraftwerke auch zu Zielobjekten für Raketenangriffe werden, wie die beunruhigenden, nicht überprüfbaren Vorgänge beim Atomkraftwerk Saporischschja in der Ukraine zeigten.
Die Forderung, alle Atomanlagen stillzulegen, einschließlich der Brennelementefabrik in Lingen und der Urananreicherungsanlage in Gronau, die leider über 2022 hinaus betrieben werden, findet eine weitere Bestätigung in einer Erklärung des französischen Präsidenten Macron im Jahr 2020: „Ohne zivile Atomenergie gibt es keine militärische Nutzung und ohne militärische Nutzung gibt es keine zivile Atomenergie.”
Abschließend forderte Arno Huth daher:
Schluss mit der militärischen und zivilen Atomkraftnutzung – hier und überall!
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DIENSTAG, 9. AUGUST 2022 UM 17.30 UHR AUF DEM MARKTPLATZ MOSBACH
Zum 77. Jahrestag der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki …
„Sicherheit neu denken“: Ohne Waffen, aber nicht wehrlos!
Vortrag am 22. Juni 2022 in Mosbach
Ein Szenario aus der evangelischen Badischen Landeskirche
Stoppt die zivile und militärische Atomkraftnutzung!
Update, 11.3.2022 bzw. 17.3.2022
Lediglich 15 Leute kamen zur Kundgebung der Initiative AtomErbe Obrigheim anlässlich des 11. Fukushima-Jahrestags. Georg Fischer verlas einen Beitrag von Angelika Claussen (Internationale Ärzt*innen zur Verhütung des Atomkriegs IPPNW), den sie auch schon fünf Tage davor beim Sonntagsspaziergang zum AKW Neckarwestheim vor über 300 Zuhörer*innen selbst vorgetragen hatte. Arno Huth ergänzte anschließend ein paar Informationen zur Lage beim Atomkraftwerke Saporoschschja, nachdem es bei einem russischen Angriff gezielt beschossen oder bei Kampfhandlungen beschädigt worden war. Bei der Sammlung für notleidende ehemalige KZ-Häftlinge, ihre Familien, Flüchtende und Kriegsopfer in der Ukraine – vermittelt über das Maximilian-Kolbe-Werk – spendeten die Teilnehmer*innen der Kundgebung 131,70 Euro, vielen Dank. Die Initiative AtomErbe Obrigheim hatte diesen Betrag auf 500 Euro vorab aufgerundet, damit angesichts der Frontverläufe möglichst bald noch Betroffene erreicht werden könnten. Die Kundgebung schloss mit einer Schweigeminute in Erinnerung an die Opfer der Atomkatastrophen von Tschernobyl und Fukushima, die über 150.000 Toten der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki, die über 100.000 Opfern der Spätfolgen von Atombombenversuchen und die Menschen und Opfer des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, aber auch die Kriegsopfer in der Ostukraine.
Hier der verlesene Redebeitrag, Mosbach 11.3.2022 bzw. Neckarwestheim, 6.3.2022
von Angelika Claussen (IPPNW):
Atomenergie und Atomwaffen sind unzertrennlich miteinander verquickt.
Wir gedenken heute der Opfer der Fukushima Katastrophe, der Tschernobyl Katastrophe und die Atombomben-Opfer von Hiroshima und Nagasaki: Sie mahnen uns: Wir brauchen endlich ein Ende des atomaren Wettrüstens! Wir brauchen den Atomwaffenverbotsvertrag! Wir brauchen den vollständigen Atomausstieg in Deutschland – Nicht nur die drei letzten Atomkraftwerke in Deutschland müssen geschlossen werden, auch die Brennelemente-Fabrik in Lingen und die Urananreicherungsanlage in Gronau! Wir brauchen eine schnelle Gesetzliche Verordnung für einen solchen Ausstieg.
Einen ersten kleinen Erfolg hat die Antiatombewegung schon erreicht, die Rosatomtochter TVEL darf nicht in die Brennelementeproduktion in Lingen einsteigen. Jetzt muss auch ‚Framatome‘ aussteigen! Die Bundesregierung muss gesetzlich die französische Brennelemente-Produktion in Lingen in naher Zukunft beenden.
Und nicht zu vergessen: Der Forschungsreaktor in Garching: Der Import von hochangereichertem Uran aus Russland steht in eklatantem Widerspruch zu geltendem Recht: die Nichtweiterverbreitung von waffenfähigem Uran.
Der Ukraine-Krieg stellt uns vor neue Herausforderungen. Die russische Regierung von Wladimir Putin hat mit ihrem Angriffskrieg auf die Ukraine Völkerrecht gebrochen. Die Invasion russischer Truppen hat das Ziel eines Regime Change in Kiew. Die gewählte Regierung Selensky soll weg, die Ukraine soll zum Vassallenstaat von Russland umgeformt werden, ähnlich wie Weissrussland.
Doch trotz Ukraine-Krieg dürfen wir jedoch eines nicht aus den Augen lassen: die Klimakrise. Das haben uns der Weltklimarat und die UN am 28. Februar 2022 auf drastische Weise in ihrer Stellungnahme verdeutlicht. Alte Fehler jetzt zu wiederholen wäre eine katastrophale Fehlentscheidung. Klimaschutz und Energiewende sind auch aus friedens- und sicherheitspolitischen Gründen notwendig. Nur durch die heimische Energieerzeugung aus dezentralen erneuerbaren Energien können wir Energiesouveränität erreichen.
Das neue Aufrüstungsprogramm der Bundesregierung mit 100 Milliarden Euro schaden dem Klima und dem Frieden in Europa – dieses Geld könnten wir nachhaltig in unsere Energieunabhängigkeit investieren. Später dazu mehr!
Denn ich möchte noch einmal zum Ukraine Krieg zurückkommen und zu der Tatsache, dass die Ukraine 1994 auf den Besitz von Atomwaffen verzichtet hat. Erinnern möchte ich an das Budapester Memorandum, 1994. Damals verzichteten Weissrussland, Kasachstan und die Ukraine auf die Atomwaffen, die in ihrem Land stationiert waren. Im Gegenzug verpflichteten sich Russland, die USA und Großbritannien in einem völkerrechtlich bindenden Vertrag die Souveränität und die Grenzen dieser Länder zu respektieren und auf Gewaltanwendung gegenüber diesen Staaten zu verzichten, so wie es die Charta der Vereinten Nationen vorsieht. Ein guter Vertrag, der damals einen wichtigen Pfeiler für eine neue Sicherheitsarchitektur in Europa geschaffen hat.
Doch weiter wollten die drei Atomwaffenstaaten in Europa samt den USA nicht gehen. Der Warschauer Pakt war schon aufgelöst (1991), da erlebten wir die Osterweiterung der NATO und das Ende der Rüstungskontrolle: die Kündigung des INF-Vertrags, die Kündigung des Vertrags über den offenen Himmel, gekündigt von den USA.
Doch die weltweite Friedensbewegung, die Kampagne gegen Atomwaffen ICAN konnte gerade in diesen schweren Zeiten einen großen Erfolg feiern: Mit dem neuen Vertrag zur Ächtung und zum Verbot von Atomwaffen hatte sie zusammen mit klugen Diplomaten wie Alexander Kment aus Österreich, eine neue Norm geschaffen, den Atomwaffenverbotsvertrag, und den Weg in eine Welt ohne Atomwaffen aufgezeigt.
Die IPPNW ist Gründungsmitglied von ICAN. Mit Studien zu den humanitären Folgen eines auch nur begrenzten Atomkriegs konnten wir viele Staaten für das Atomwaffenverbot gewinnen. Doch die Atomwaffenstaaten boykottieren den Vertrag, systematisch, und viele NATO-Länder wie auch Deutschland lehnen den Beitritt zum Atomwaffenverbotsvertrag strikt ab.
Unser Nachbar Frankreich, ebenfalls Atomwaffenstaat, versucht nun durch das Mittel der EU-Taxonomie der Atomenergie und damit seinen 56 Atomkraftwerken das Nachhaltigkeitslabel zu verpassen. Doch in Wirklichkeit geht es Frankreich um etwas ganz anderes: Marode, hoch verschuldete AKW’s sind eine Sache, doch die Quersubventionierung, die Finanzierung für die Modernisierung der französischen Atomwaffen, im Klartext die Aufrüstung der französischen Atomwaffen stellt das verborgene Ziel Frankreichs hinter den AKW-Plänen dar. Dazu möchte ich Präsident Macron direkt zitieren:
„Ohne zivile Atomenergie gibt es keine militärische Nutzung der Technologie – und ohne die militärische Nutzung gibt es auch keine zivile Atomenergie.“
Im Klartext heißt das: Um sein Atomwaffenarsenal weiter ausbauen und modernisieren zu können, ist Frankreich auf eine Quersubventionierung angewiesen. Alle neun Atomwaffenstaaten halten deshalb an Atomkraftwerken fest – trotz wirtschaftlicher Defizite, trotz der klimaschädigenden Auswirkungen, trotz der schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen bei Atomunfällen.
Zurück zum Ukraine-Krieg, dessen Auswirkungen verheerend sind – für die Menschen dort, aber auch für uns, weil unsere Regierung jetzt einen Politikwechsel in Richtung Militarisierung durchsetzen will. Beginnen möchte ich mit dem Blick auf die Ukraine:
Die Menschen in der Ukraine erleiden zurzeit massive Gewalt, die humanitären Bedingungen in Städten wie z.B. Kiew und Mariupol verschlechtern sich von Tag zu Tag, Strom- und Wasserleitungen, die Infrastruktur wird zerstört, Nahrungsmittel werden knapp. Hunderttausende Menschen sind auf der Flucht. Ein Krankenhaus in Vuhledar in der Ostukraine wurde am 24. Februar mit Streumunition angegriffen: Ein Verstoß gegen das Streubomben-Abkommen, bei dem vier Zivilisten getötet und 10 weitere verletzt wurden.
Und jetzt der Brand im AKW Saporischschja. Es ist das erste Mal in der Kriegsgeschichte, dass ein AKW durch Streitkräfte erobert wurde. Auch wenn der Reaktorblock selbst unbeschädigt blieb, die Gefahr einer Katastrophe durch einen möglichen Bombeneinschlag auf ein AKW wurde uns drastisch vor Augen geführt.
In der Sperrzone von Tschernobyl kam es während der Einnahme durch die russischen Truppen wohl ebenso zu Bombardierungen. Dort wurde eine erhöhte Strahlung gemessen. Zu bedenken ist, dass die Böden in der Sperrzone immer noch verstrahlt sind, besonders auch durch langlebige Alphastrahler wie Plutonium und Americium.
Und nun zu den neuen Aufrüstungsplänen der Bundesregierung, die in einem „Sondervermögen“, das gesetzlich festgeschrieben werden soll. Um welche Militärprojekte geht es da? Laut einem Bericht des Spiegels sollen etwa 34 Milliarden Euro sollen in „multinationale Rüstungsprojekte“ fließen. Dazu gehören das System „Twister“ zur Abwehr von Hyperschallwaffen, eine „Combat Cloud“ und „strategischer Lufttransport“. Hinzu kommen Megaprojekte wie das neue europäische Luftkampfsystem Future Combat Air System – FCAS, der deutsch-französische Kampfpanzer (Main Ground Combat System – MGCS) und die Eurodrohne. Der überwiegende Teil des Sondervermögens (etwa 68 Milliarden Euro) ist für „nationale Großprojekte“ vorgesehen. „Ganz oben auf der Prioritätenliste“ stehe „die Nachfolge für den Uralt-Kampfjet Tornado“. Die Kosten für die Anschaffung modernisierter Eurofighter-Jets und US-amerikanischer F-35 würden dabei auf etwa 15 Milliarden Euro geschätzt.
Angesichts dieser Ankündigungen der Bundesregierung, die im Wesentlichen auch von der CDU/CSU mitgetragen werden, stellen wir fest, dass es so gut wie keine Opposition im Bundestag gegen die Militarisierung gibt. Wir, die Antiatomatombewegung, Friedensbewegung, die Klimabewegung, Fridays for Future, Gewerkschaften, alle sozialen Bewegungen stehen gemeinsam vor einer riesigen Herausforderung. Nur gemeinsam können wir uns gegen diese Militarisierung, für den vollständigen Atomausstieg, für einen kurzfristigen Kohleausstieg und für die forcierte Energiewende einsetzen. Es ist eine komplexe Aufgabe, packen wir‘s also an:
Für den vollständigen Atomausstieg
Für die Durchsetzung des Klimapaket von Paris – für eine forcierte Energiewende statt Investitionen in Kohle, Atom und Gas.
Für „Atombomber nein danke“.
Für Abrüsten statt aufrüsten“.
Für Deutschlands Beitritt zum Atomwaffenverbotsvertrag.
Lasst uns alle gemeinsam für diese Ziel eintreten und zusammenstehen!
Zur Lage beim Atomkraftwerk Saporischschja
Was sich genau beim AKW Saporischschja ereignete, ist schwer nachzuvollziehen – in Kriegszeiten noch weniger als beim Normalbetrieb in Friedenszeiten. Die Ereignisse unterstreichen aber die Gefahren durch äußere und andere Einwirkungen auf Atomkraftwerke in Kriegszeiten.
Am 2. März 2022 verbreitete die Internationale Atomenergiebehörde IAEA die russische Meldung, das Kernkraftwerk sei durch russische Truppen besetzt worden. Aufnahmen vom 3. März zeigen aber Menschenmengen auf den Zufahrtswegen zum Atomkraftwerk, um sich gegebenenfalls dem russischen Vormarsch entgegen zu stellen. In der Nacht zum 4. März wurde von russischen Angriffen auf die Anlage berichtet. Die Blöcke 2 und 3 wurden daraufhin abgeschaltet. Nur Block 4 arbeitete weiter. Drei weitere Reaktoren befanden sich sowieso schon in Revision. So befanden sich insgesamt fünf Reaktoren im Vorhaltebetrieb und mussten gekühlt werden.
Am 4. März schossen russische Truppen Raketen auf das Werk und besetzten es dann. In einem Ausbildungszentrum und in einem Laborgebäude brachen Brände aus, die jedoch am gleichen Tag wieder gelöscht werden konnten. Nach Angaben der IAEA wurden dabei „keine essentiellen Anlagen beschädigt“. Neben dem stabil laufenden Block 4 wurde Block 2 bis zum 6. März wieder auf die nahezu volle Leistung hochgefahren.
Wikipedia schreibt dazu (Stand 17.3.2022): „Am 3. März 2022 soll sich eine ukrainische Militäreinheit im Kraftwerk auf einen Angriff vorbereitet haben. Auf einem YouTube-Kanal wurde gegen 23:30 Uhr ein Livestream geschaltet, der eine Überwachungskamera des Kraftwerks zeigen soll. Es soll das methodische Vorgehen einer russischen Militäreinheit mit Panzerunterstützung zu sehen gewesen sein. Das Vorgehen soll auf einen geplanten Angriff hinweisen. Das Video soll zeigen, wie die russische Militäreinheit unter Abwehrfeuer geriet, ein russischer Panzer getroffen wurde, zur Versorgungssicherheit notwendige Freileitungen beschossen wurden und wie russische Truppen weiter in den Kraftwerkskomplex in Richtung Reaktorgebäude eindrangen. Dabei sei der Beschuss von zur Versorgungssicherheit wichtiger Anlagen zu sehen, sowie der Beschuss von Anlagen zum Halten von radioaktivem Abfall. Es sei unklar, ob es sich bei dem Beschuss um die bewusste Beschädigung dieser Anlagenteile handle oder um die Erwiderung auf Beschuss von ukrainischer Seite. Dabei soll es zu Beschuss von Anlagenteilen mit Raketen gekommen sein. Es habe sich nicht um zufälligen Beschuss gehandelt. Der Angriff sei von russischer Seite aus größtenteils diszipliniert geführt worden, doch soll es zum Ende des Gefechts zu wahllosem Raketenbeschuss durch russische Soldaten gekommen sein. Das Gefecht soll am 4. März 2022 gegen 2:25 Uhr größtenteils beendet gewesen sein. In einem Ausbildungszentrum und in einem Laborgebäude brachen während des Gefechts Brände aus, die jedoch am gleichen Tag wieder gelöscht werden konnten. Nach Angaben der IAEO seien dabei keine essentiellen Anlagen beschädigt worden. Die ukrainische Atomaufsichtsbehörde soll Schäden am Reaktorgebäude von Reaktor 2 gemeldet haben. Bei dem Beschuss von Nebenanlagen von Reaktor 2 seien Anlagenteile, aus denen im Fall eines Treffers nukleares Material ausgetreten wäre, nur knapp verfehlt worden.“
Die Leitung des Werks wurde von einem russischen Militärkommandanten übernommen. Betriebliche Handlungen müssen nun vorab von diesem genehmigt werden, was von der IAEA als Belastung für das im Hinblick auf die Betriebssicherheit nötige Arbeitsklima scharf kritisiert wird. Zudem sind einige Kommunikationskanäle vom Kraftwerk zur Außenwelt seit dem Angriff aufs Werk gekappt oder in ihrer Qualität beeinträchtigt, was die IAEA ebenfalls als eklatante Verletzung von Grundregeln für den sicheren Betrieb einer Nuklearanlage anprangert.
IAEO-Chef Rafael Grossi berichtete zudem von ernsten Problemen bei der Versorgung der Bedienmannschaft des KKW mit Lebensmitteln. Am 9. März behauptete der ukrainische Energieminister, russische Einheiten würden das Personal des Kernkraftwerks Saporischschja foltern, um es zu einer öffentlichen Erklärung zu zwingen. Das Betriebspersonal werde seit vier Tagen als Geisel gehalten, viele seien physisch und psychisch erschöpft.
Am 10. März wurde gemeldet, dass die IAEA die Datenverbindung zu dem Atomkraftwerk verloren habe und die Kommunikation mit dem Atomkraftwerk sei gestört.
Experten für Atomkraft-Unfälle Karlsruher Institut für Technologie (KIT) weisen auf die Risiken durch Fehlbedienungen und durch Stromausfälle hin, zum Beispiel nach zerstörten Stromleitungen und Ausfall von Notstromdiesel. Wenn dann die Kühlung von Brennstäben aussetzt, könnte es wie in Fukushima zu Kernschmelzen kommen.
Am 13. März 2022 wurde berichtet, dass die automatische Datenübertragung wieder funktioniere und 400 russische Soldaten im Kraftwerk sind. Auch seien einige Fachleute von Rosatom, welche die Sicherheit der Anlage bewerten sollen und auch für Reparaturen zuständig seien, eingetroffen.
Ukrainischen Angaben vom 14. März zufolge sollen russische Truppen Teile eines Munitionslagers unweit des besetzten Atomkraftwerks Saporischschja gesprengt haben. Die Detonation habe sich bei der Ruine eines Militär-Ausbildungsplatzes ereignet, teilte der ukrainische Atomkraftbetreiber Enerhoatom am Montag auf Telegram mit. Das Personal im Kraftwerk habe wegen der Explosion zwischenzeitlich seine Arbeit niedergelegt, hieß es von Enerhoatom.
Kundgebung der Initiative AtomErbe Obrigheim
zum 11. Fukushima-Jahrestag
am FREITAG, 11. MÄRZ 2022 17.30 Uhr
auf dem MARKTPLATZ MOSBACH
Vorgesehen sind unter anderem ein verlesener Beitrag von Dr. Angelika Claussen (Internationale Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkrieges IPPNW), die Sammlung von Spenden für ehemalige KZ-Häftlinge und andere Bedürftige in der Ukraine (vermittelt über das Maximilian-Kolbe-Werk https://www.maximilian-kolbe-werk.de/unsere-arbeit/helfen/krieg-in-der-ukraine-wir-helfen/ ) und eine Gedenkminute für die Opfer der militärischen und zivilen Atomkraftnutzung sowie für die Menschen und Kriegsopfer in der Ukraine.
Menschenkette für Solidarität und Demokratie
MOSBACHER ERKLÄRUNG FÜR SOLIDARITÄT UND DEMOKRATIE
Mosbacher Erklärung des Bündnisses „Bürgerinnen und Bürger für Solidarität und Demokratie“
Wir appellieren deshalb an unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger:
Die Erstunterzeichnenden vom 24.01.2022:
Montag, 24. Januar 2022, 18 Uhr, Marktplatz Mosbach:
„Bürgerinnen und Bürger für Solidarität und Demokratie“ laden ein:
Menschenkette für Solidarität und Demokratie
Montag 17.01.2022, 18:00 Uhr, Marktplatz Mosbach
Veranstalter ist ein Bündnis aus wenigen Einzelpersonen.
An die Ampel-Koalitionsverhandlungen: Deutschland atomwaffenfrei jetzt!
Update 27.11.2021
Schlingerkurs zu Atomwaffen im Ampel-Koalitionsvertrag
Der Ampel-Koalitionsvertrag wurde verkündet. Die „Initiative AtomErbe Obrigheim“ und „Mosbach gegen Rechts“ hatten im Vorfeld einen gemeinsamen Appell an die Verhandlungsparteien geschickt (siehe weiter unten). Immerhin einer der Verhandler, Dietmar Nietan (SPD), dankte uns, hielt sich aber zu seiner eigenen Position und zu den Verhandlungen mit nichtssagenden Floskeln bedeckt:
„Mit Interesse habe ich Ihre Anregungen und Formulierungsvorschläge zur Kenntnis genommen. Die Arbeiten an einem Koalitionsvertrag laufen auf Hochtouren und ich freue mich, im Bereich Außen-, Sicherheits-, Verteidigungs-, Entwicklungs- und Menschenrechtspolitik zum Verhandlungsteam zu gehören. Wir werden uns in den Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP in allen Politikbereichen um gute Kompromisse bemühen, die ein breites Spektrum an Anliegen berücksichtigen!“
Eingemischt in die Koalitionsverhandlungen hatte sich auch NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg mit einer Ermahnung: er forderte die künftige Bundesregierung auf, die nukleare Teilhabe Deutschlands zu sichern und sich mit deutlich höheren Verteidigungsausgaben an der gemeinsamen Sicherheit des Bündnisses zu beteiligen. Offenbar war die NATO über die Haltung von Teilen aller drei Ampel-Parteien verunsichert. Die FAZ führt dazu aus: „Die SPD blockierte gen Ende der großen Koalition Beschlüsse zur Beschaffung eines Nachfolgers der alten Tornado-Jets und diskutierte eine Abkehr von der Doktrin der nuklearen Teilhabe. Auch bei Grünen und FDP gab und gibt es Stimmen, die einen Abzug der Atombomben und einen Ausstieg aus der nuklearen Teilhabe fordern. … Stoltenberg sagte bei einer Konferenz in Berlin, die gemeinsame Verantwortung und Verfügung über die Nuklearwaffen in Europa sei immens wichtig für die NATO. Die nukleare Teilhabe sei für Deutschland und Europa ein Platz an dem Tisch, an dem Entscheidungen getroffen werden.“ Stoltenberg drohte: „Die Alternative wäre eine Verlagerung und Stationierung der Nuklearwaffen in den Osten Europas“, womit er ein Angebot Polens aufgriff. Stoltenberg verwies auf Steigerung der atomaren militärischen Kapazitäten von Russland und China und folgerte daraus: „Niemand mag Nuklearwaffen, aber solange sie da sind, müssen wir sie auch haben“. Auch der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz Wolfgang Ischinger hatte die Ampel-Parteien vor der Aufkündigung der nuklearen Teilhabe mit der Folge der Verlagerung der US-Atomwaffen von Deutschland nach Polen gewarnt. Es waren dann nicht die großen Medien sondern Friedensorganisationen, die darauf hinwiesen, dass dies eine Vertragsverletzung der NATO-Russland-Grundakte vom 27. Mai 1997 bedeuten würde, wonach sich die NATO verpflichtet hatte, in den neuen Beitrittsstaaten, also auch in Polen, keine Atomwaffen zu stationieren. Diese Verpflichtung hatte zuletzt auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages am 29. April 2020 ausdrücklich hervorgehoben.
Wie leider zu erwarten war, will die Ampel nicht das Plätzchen der nuklearen Teilhabe (Stoltenberg) am NATO-Tisch aufgeben, und beschloss daher einen Schlingerkurs. Sie schrieb in den Koalitionsvertrag:
„Solange Kernwaffen im Strategischen Konzept der NATO eine Rolle spielen, hat Deutschland ein Interesse daran, an den strategischen Diskussionen und Planungsprozessen teilzuhaben. Vor dem Hintergrund der fortbestehenden Bedrohung für die Sicherheit Deutschlands und Europas nehmen wir die Sorgen insbesondere unserer mittel- und osteuropäischen Partnerstaaten ernst, bekennen uns zur Aufrechterhaltung eines glaubwürdigen Abschreckungspotenzials und wollen die Dialoganstrengungen der Allianz fortsetzen. Wir unterstützen die Bemühungen des Bündnisses zu konventioneller und nuklearer Abrüstung sowie Rüstungskontrolle. Wir werden den europäischen Pfeiler in der NATO stärken und uns für eine intensivere Zusammenarbeit zwischen NATO und EU einsetzen. … Wir brauchen eine abrüstungspolitische Offensive und wollen eine führende Rolle bei der Stärkung internationaler Abrüstungsinitiativen und Nichtverbreitungsregimes einnehmen, u. a. bei der Stockholm-Initiative für Nukleare Abrüstung. Wir werden uns dafür einsetzen, dass von der Überprüfungskonferenz des Nichtverbreitungsvertrages (NVV) 2022 ein wirklicher Impuls für die nukleare Abrüstung ausgeht. Unser Ziel bleibt eine atomwaffenfreie Welt (Global Zero) und damit einhergehend ein Deutschland frei von Atomwaffen. Wir setzen uns mit Nachdruck für ein Nachfolgeabkommen zu NewSTART ein, das neben neuen strategischen Nuklearwaffensystemen auch solche kurzer und mittlerer Reichweite umfasst. Wir setzen uns für Verhandlungen zwischen den USA und Russland zur vollständigen Abrüstung im substrategischen Bereich ein. Nuklearwaffenstaaten wie China wollen wir stärker in nukleare Abrüstung und Rüstungskontrolle einbinden. Im Lichte der Ergebnisse der Überprüfungskonferenz des NVV und in enger Absprache mit unseren Alliierten werden wir als Beobachter (nicht als Mitglied) bei der Vertragsstaatenkonferenz des Atomwaffenverbotsvertrages die Intention des Vertrages konstruktiv begleiten. … Wir werden zu Beginn der 20. Legislaturperiode ein Nachfolgesystem für das Kampfflugzeug Tornado beschaffen. Den Beschaffungs- und Zertifizierungsprozess mit Blick auf die nukleare Teilhabe Deutschlands werden wir sachlich und gewissenhaft begleiten.“
Viele gute Absichten, bei denen mensch aber davon ausgehen kann, dass sie vermutlich folgenlos bleiben werden: daher auch der Beschluss, der die Ankündigung der scheidenden Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauers vom April 2020 aufgreift, für mehrere Milliarden neue Atombomber vermutlich aus den USA für die Bundeswehr zu beschaffen, die im Einsatzfall als Trägersysteme die 20 in Deutschland gelagerten us-amerikanischen Atomwaffen in gegnerische Ziele feuern sollen.
Betonung des ernsten Willens zu einer abrüstungspolitischen Offensive und gleichzeitig Aufrüstung und nukleare Teilhabe. Den Atomwaffenverbotsvertrag „konstruktiv begleiten“, ihm aber nicht beitreten. Mit diesem Kompromiss wird sicherlich auch die voraussichtlich zukünftige Außenministerin Annalena Baerbock leben können, die noch drei Wochen vor der Bundestagswahl angekündigt hatte, konkrete Schritte gehen zu wollen, dass die Amerikaner ihre Atombomben aus Deutschland abziehen und Deutschland den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichne.
Erste Reaktionen aus der Friedensbewegung fallen unterschiedlich aus. Die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen ICAN Deutschland sieht einen „historischen Erfolg“ im Bemühen um Abrüstung und fordert die Zivilgesellschaft auf, die Chancen durch weiteres Engagement zu nutzen: „Damit wird Deutschland nach Norwegen der zweite NATO-Staat und das erste Land, in dem Atomwaffen stationiert sind, das die Staatenkonferenz [zum Atomwaffenverbotsvertrag] beobachtet. Wir werden uns dafür einsetzen, dass diese Konferenz zum Anfang vom Ende von Atomwaffen in Deutschland wird!“ ICAN Deutschland meint: „Der Koalitionsvertrag lässt im Bereich Außen- und Sicherheitspolitik Spielraum für einen Paradigmenwechsel.“
Geradezu konträr ist das „Entsetzen“ der „Kampagne Büchel ist überall! Atomwaffenfrei.jetzt“: „Mit der Festlegung auf die Anschaffung neuer Trägerflugzeuge für die Atombomben in Büchel wird die nukleare Teilhabe zementiert. SPD und Grüne widersprechen allen zuvor gegebenen verbalen Beteuerungen zu nuklearer Abrüstung. Stattdessen wollen sie mit Milliarden die nukleare Aufrüstung unterstützen.“ „Vage Äußerungen hinsichtlich internationaler Verhandlungsprozesse zu nuklearer Abrüstung sind zu wenig! Wenn die atomare Weltuntergangsuhr auf 100 Sekunden vor 12 steht, nützt das wiederholte Zitieren von Fernzielen nichts. Die Welt braucht konkrete Schritte zu nuklearer Abrüstung“, so Hildegard Slabik-Münter von der atomwaffenfrei-Kampagne. Die Zusage der Teilnahme an der Staatenkonferenz zum Atomwaffenverbotsvertrag im März 2022 als Beobachter sei „lediglich ein Trostpflaster!“
Aktivisten der Deutschen Friedensgesellschaft / Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG/VK) vor Büros der Ampel-Parteien
Verschiedene Friedensorganisationen haben an die Parteien der Ampel-Koalitionsverhandlungen appelliert, den Atomwaffenverbotsvertrag zu unterstützen und die nukleare Teilhabe Deutschlands zu beenden. Auch die Initiative AtomErbe Obrigheim IAEO hat ein entsprechendes Schreiben an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Verhandlungen geschickt. Unterzeichnet wurde das Schreiben zudem von Freundinnen und Freunden der Initiative Mosbach gegen Rechts, welche die letzten drei Male auch die Mahnwachen zum Hiroshima-Tag in Mosbach mit organisiert haben.
Atomwaffenverbot in den Koalitionsvertrag! Beendet die nukleare Teilhabe jetzt! Nutzt die Chance zu einem friedenspolitischen Neuanfang!
Hier das Schreiben:
Initiative AtomErbe Obrigheim …
7.11.2021
An die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Ampel-Koalitionsverhandlungen, Arbeitsgruppe zum Thema Sicherheit, Verteidigung, Entwicklung, Außen und Menschenrechte
An
Heiko Maas, Siemtje Möller, Dietmar Nietan, Bärbel Kofler, Gabriela Heinrich, Nils Schmid (SPD)
Agnieszka Brugger, Omid Nouripour, Reinhard Bütikofer, Tobias Lindner, Hannah Neumann, Pegah Edalatian (Grüne)
Alexander Graf Lambsdorff, Bijan Djir-Sarai, Gyde Jensen, Michael Link, Frank Müller-Rosentritt, Marie Agnes Strack-Zimmermann (FDP)
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir von der Initiative AtomErbe Obrigheim wenden uns an Sie als Teilnehmerínnen und Teilnehmer der Ampel-Koalitionsverhandlungen mit der …
… dringlichen Bitte, den Beitritt Deutschlands zum Atomwaffenverbotsvertrag und die Beendigung der nuklearen Teilhabe Deutschlands in den Ampel-Koalitionsvertrag aufzunehmen. Bitte stoppen Sie damit auch die Anschaffung neuer Milliarden teurer Kampfflugzeuge als Trägersysteme für die in Deutschland stationierten US-Atomwaffen und den weiteren Ausbau der dafür benötigten militärischen Infrastuktur.
Wie Sie wissen hatte vor über elf Jahren am 26. März 2010 der Bundestag die Bundesregierung mit großer Mehrheit aufgefordert, sich „gegenüber den amerikanischen Verbündeten mit Nachdruck für den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland einzusetzen“ und sich an Diskussionen „über die verschiedenen, auch zivilgesellschaftlichen Ansätze für eine vollständige nukleare Abrüstung … oder … über den Vorschlag für eine Nuklearwaffenkonvention zur Ächtung der Atomwaffen“ zu beteiligen.
Bei beidem haben die Bundesregierungen seither keine sichtbar ernsthaften Anstrengungen unternommen oder sich sogar dagegen gestellt. Und dies, obwohl Umfragen in der Bevölkerung eine breite Mehrheit für ein Atomwaffenverbot, für einen Abzug der Atomwaffen aus Deutschland und gegen eine Modernisierung der in Deutschland stationierten Atomwaffen feststellten. Über 700 Bürgermeister und Bürgermeisterinnen haben sich mittlerweile den Mayors for Peace in Deutschland angeschlossen. Alle 16 Landeshauptstädte und weitere 121 Städte haben sich seit 2019 dem ICAN-Städtebündnis angeschlossen – darunter auch die Stadt Mosbach und ihr Oberbürgermeister. Die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen ICAN wurde 2017 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
Leider hat die Bundesregierung dieses zivilgesellschaftliche Votum bisher ignoriert und ihre Teilnahme am Prozess zum Atomwaffenverbotsvertrag AVV verweigert. Wir bedauern dies und fordern die zukünftige Bundesregierung auf, dieses Versäumnis wiedergutzumachen und den AVV zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Der AVV ist im Januar 2021 in Kraft getreten und somit internationales Völkerrecht. Atomwaffen sind verboten!
Wir sind auch enttäuscht über die Haltung der meisten europäischen Staaten. Insbesondere die größeren Staaten fehlen: unterzeichnet haben den AVV vor allem Mini-Staaten (Vatikan, Liechtenstein, Malta und San Marino sowie Österreich und Irland) und bis auf Liechtenstein auch alle ratifiziert. Dass die Staaten der Europäischen Union (Friedensnobelpreisträger von 2012) diesen zivilgesellschaftlichen Prozess zu einer atomwaffenfreien Welt hingegen weitgehend boykottieren, empfinden wir als beschämend und grobe Missachtung eines der großen Menschheitsziele.
Leider hat auch die bisherige Bundesregierung die Tragweite dieser bedeutenden Entwicklung nicht erkennen wollen, eine zahnlose Nebendiplomatie wie die Stockholm-Initiative betrieben und sich diesbezüglich international ins Abseits und außerhalb der Menschheitsfamilie der Vereinten Nationen gestellt.
Dabei könnte Deutschland als einflussreiche Wirtschaftsmacht sowie Mitgliedsstaat der NATO und der Europäischen Union ein Signal setzen und der Dynamik des internationalen Prozesses zu einer atomwaffenfreien Welt erheblich Schwung verleihen.
Nutzen Sie mit der Bildung der neuen Bundesregierung die Chance zu einem echten Neuanfang in der Friedenspolitik – ohne atomare Abschreckung! Treten Sie entschlossen dem atomaren und globalen Wettrüsten entgegen!
Über eine positive Rückmeldung würden wir uns sehr freuen.
Für die „Initiative AtomErbe Obrigheim“:
Arno Huth, Ulrike Huxoll, Gertrud Patan, Walter Simon
Von der befreundeten zivilgesellschaftlichen Initiative „Mosbach gegen Rechts“:
Barbara Meyer, Sascha Morr
Appelle der DFG/VK Baden-Württemberg und der Kampagne „Büchel ist überall! atomwaffenfrei jetzt!“:
Für eine gemeinwohlorientierte Krankenhauspolitik
Die Ergebnisse der Ampel-Sondierungsgespräche von SPD, Grüne und FDP im Bereich Gesundheitspolitik
Nach den Sondierungsgesprächen und vor Beginn der Ampel-Koalitionsverhandlungen legten SPD, Grüne und FDP ein Ergebnispapier vor. Darin haben die drei potentiellen Partner unter der Überschrift „Soziale Sicherheit bürgerfreundlich gestalten“ unter anderem Eckpunkte zum Thema Gesundheit und Pflege aufgelistet. Sie stehen unter dem Grundsatz, eine „gute und verlässliche gesundheitliche Versorgung“ überall in Deutschland, in Stadt und Land zu gewährleisten. Vorsorge und Prävention sollen Leitprinzip der Gesundheitspolitik werden. Als Lehre aus der Pandemie wollen die Partner den Öffentlichen Gesundheitsdienst digitalisieren und stärken. Für die Gesundheitsversorgung haben die drei Parteien einen Bedarf an sektorenübergreifender Vernetzung ermittelt.
Das DRG-Fallpauschalensystem soll weiterentwickelt werden und „in Hinblick auf Sektoren wie Geburtshilfe und Notfallversorgung sowie Kinder- und Jugendmedizin“ angepasst werden. In die Finanzierung soll eine starke Vorhaltekomponente einfließen. Die Pflege soll nach Entbürokratisierung und durch Nutzung digitaler Potenziale sowie klarer bundeseinheitlicher Vorgaben bei der Personalbemessung als Berufsbild attraktiver werden. Dafür soll es eine Anwerbe-Offensive für Pflegepersonal geben, gute Arbeitsbedingungen und angemessene Entlohnung inklusive. Mehr qualifizierte Pflegekräfte sollen aus dem Ausland angeworben werden.
Was die Gespräche für die Zukunft der Krankenhauslandschaft bedeutet, bleibt damit zuerst einmal vage. Ebenso die Frage nach der Finanzierung, denn am System der gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen soll festgehalten werden, womit sich die mögliche zukünftige Bundesregierung auch gegen den mehrheitlichen Wunsch der Bevölkerung nach einer Bürgerversicherung stellt.
Appell für ein gemeinwohlorientiertes Gesundheits- bzw. Krankenhaussystem
Unzufrieden mit den ersten Absichtserklärungen wenden sich daher das „Bündnis für Krankenhaus und gute Arbeit Neckartal-Odenwald“ und der DGB-Ortsverband Hirschhorn/Neckarsteinach mit einem Appell an die Arbeitsgruppe Gesundheitspolitik der Ampel-Koalitionsverhandlungen. Das Bündnis vermisst im ersten Sondierungspapier der Ampel-Verhandlungen von SPD, Grünen und FDP klare, entschlossene Weichenstellungen in Richtung einer gemeinwohlorientierten Gesundheitspolitik und hat daher nochmals zentrale Forderungen aus seinem Positionspapier und seinen beiden Kundgebungen in Eberbach und Mosbach im Juli 2021 in dem Schreiben zusammengefasst. (Siehe dazu Aufruf und Bericht).
Das Bündnis zeigt sich verwundert, dass das Thema Gesundheitspolitik nicht eines der ganz großen Top-Themen der Sondierungsgespräche von SPD, Grünen und FDP zu sein scheint, obwohl fast das gesamte gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Leben für mehrere Monate während der Corona-Pandemie den Intensivbettenkapazitäten, Neuinfektionszahlen und mittlerweile noch den Impfquoten untergeordnet wurde.
In Sorge um die Zukunft der Krankenhauslandschaft appelliert das Bündnis daher, die flächendeckende Krankenhausversorgung zu erhalten und zu stärken und auch insbesondere den ländlichen Raum nicht weiter in der Gesundheitsversorgung zu schwächen. Dies beinhalte auch die Vorhaltung von Kapazitäten für zukünftige Pandemien und Katastrophen. Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung dürften nicht zu sogenannten Integrierten bzw. Medizinischen Versorgungszentren IVZ/MVZ abgewertet werden.
Das Bündnis fordert eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen: so habe kürzlich der Deutsche Pflegerat (DPR) ein Einstiegsgehalt von 4.000 Euro brutto im Monat gefordert, und die Gewerkschaft ver.di, der DPR und die Deutsche Krankenhausgesellschaft entwickelten mit „PPR 2.0“ ein Instrument zur Personalbemessung für die Pflege, das sich am tatsächlichen Pflegebedarf der Patienten orientiert.
Das Bündnis wendet sich gegen weitere Privatisierungen im Krankenhauswesen. Die DRG-Fallpauschalen sollten zugunsten einer kostendeckenden Krankenhausfinanzierung abgeschafft werden: Gewinne hätten im Krankenhausbetrieb nichts zu suchen.
Das Bündnis befürwortet die Ersetzung der fast 150 gesetzlichen und privaten Krankenkassen in Deutschland durch eine Bürgerversicherung oder durch eine Steuerfinanzierung des Gesundheitswesens mittels einer progressiven Besteuerung aller Einkommensarten (Geringverdienende würden dann einen geringeren Prozentsatz zahlen). Von daher bedauert es das Bündnis, dass die Forderung nach einer Bürgerversicherung in den Wahlprogrammen von SPD und Grünen nach den Sondierungsgesprächen nicht im Eckpunktepapier auftaucht.
Das Bündnis appelliert abschließend, ein gemeinwohlorientiertes Gesundheitssystem – insbesondere in der Krankenhauslandschaft – in den Koalitionsvertrag einfließen zu lassen und während der nächsten vier Jahre in Regierungsverantwortung politisch umzusetzen.
Das Schreiben des „Bündnis für Krankenhaus und gute Arbeit Neckartal-Odenwald“ an die Verhandlungsteams von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP
… 23. Oktober 2021
… Sehr geehrte Damen und Herren der Verhandlungsgruppe Gesundheitspolitik!
Wenn wir die Tagespresse verfolgen, haben wir subjektiv bisher nicht den Eindruck bekommen, dass Gesundheitspolitik eines der ganz großen Top-Themen der Sondierungsgespräche von SPD, Grünen und FDP zur Bildung einer Regierungskoalition war.
Dies verwundert uns sehr angesichts der Tatsache, dass fast das gesamte gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Leben während der ersten Monate der Corona-Pandemie und teilweise darüber hinaus bis heute der Gesundheitspolitik, den Neuinfektionszahlen, den Krankenhaus- und Intensivbettenkapazitäten und mittlerweile noch den Impfquoten untergeordnet/unterworfen wurden.
Angesichts
– der immer wieder aufkommenden Forderungen nach Schließung von Hunderten Krankenhäusern bis hin zu einem Kahlschlag,
– der zunehmenden Privatisierung zulasten eines gemeinwohlorientierten Gesundheitswesens und dadurch der privaten Aneignung von öffentlichen Mitteln und Beiträgen der Versicherten
– der zunehmenden Verschärfung der Arbeitsbedingungen in Pflege, Krankenbehandlung, Service- und anderen Arbeitsbereichen bei gleichzeitig zunehmendem Personalmangel
– der Corona-Pandemie und weiterer drohender Gefahren durch mögliche Pandemien und Katastrophen für die öffentliche Gesundheit
haben wir – das Bündnis für Krankenhaus und gute Arbeit sowie der DGB Hirschhorn/Neckarsteinach – uns vor der Bundestagswahl mit je einer Kundgebung in Eberbach und Mosbach sowie mit Pressemitteilungen an die Öffentlichkeit gewandt und mit einem Positionspapier einen Politikwechsel in der Krankenhauspolitik gefordert (siehe Anhang).
In Sorge um den Zustand unseres Krankenhauswesens wenden wir uns nun mit unseren Forderungen direkt an Sie.
Wir fordern
– den Erhalt und die Stärkung der flächendeckenden Krankenhausversorgung und insbesondere keine weitere Schwächung des ländlichen Raums (gleichwertige Lebensverhältnisse auch in der Gesundheitsversorgung)
– keine Abwertung von Krankenhäusern der Grund- und Regelversorgung zu sogenannten Integrierten bzw. Medizinischen Versorgungszentren IVZ/MVZ, sondern gegebenenfalls deren Ertüchtigung (Innere Medizin, Chirurgie, Gynäkologie/Geburtshilfe, Intensivstation und Notfallversorgung der Notfallstufe 1 sowie Berücksichtigung der Erreichbarkeit in höchstens 30 Minuten).
– ausreichend Klinikpersonal und Verbesserung der Arbeitsbedingungen (beispielsweise forderte kürzlich der Deutsche Pflegerat DPR ein Einstiegsgehalt von 4.000 Euro brutto im Monat, und die Gewerkschaft ver.di, der DPR und die Deutsche Krankenhausgesellschaft entwickelten mit PPR 2.0 ein Instrument zur Personalbemessung für die Pflege).
– Abschaffung (statt Reform, Anpassung oder Modifizierung) der DRG-Fallpauschalen zugunsten einer kostendeckenden Krankenhausfinanzierung. Gewinne haben im Krankenhausbetrieb nichts zu suchen.
– ein Gesundheitssystem in öffentlicher Hand, keine weiteren Privatisierungen und perspektivisch die Wiedervergesellschaftung privatisierter Krankenhäuser
– Finanzierung des Gesundheitswesens mittels einer Bürgerversicherung über eine einzige Versicherung (statt rund 100 Krankenversicherungen in Deutschland) einschließlich der Ablösung der Privaten Krankenkassen – oder alternativ ein steuerfinanziertes Gesundheitswesens mittels einer progressiven Besteuerung aller Einkommensarten (Geringverdienende zahlen einen geringeren Prozentsatz)
– Vorhaltung von Kapazitäten für zukünftige Pandemien und Katastrophen
Wir bitten Sie diese Forderungen nach einem gemeinwohlorientierten Gesundheitssystem (insbesondere in der Krankenhauslandschaft) in den Koalitionsvertrag einfließen zu lassen und in den nächsten vier Jahren in Regierungsverantwortung politisch umzusetzen.
Über eine positive Rückmeldung von Ihnen würden wir uns freuen.
Freundliche Grüße
Verena Altmeyer, Eberbach, Krankenpflegerin
Arno Huth, Mosbach, Heilerziehungspfleger
Silvia Morr, Hirschhorn
Stefan Riedel, Ludwigshafen, DGB Hirschhorn/Neckarsteinach
Kai Stöhr, DGB Hirschhorn/Neckarsteinach
„Im Sammeltransport nach unbekannter Anstalt verlegt“
Buchvorstellung: Opfer der NS-„Euthanasie“ aus der Stadt Buchen
„Im Sammeltransport nach unbekannter Anstalt verlegt“ heißt das Gedenkbuch für die Opfer der sogenannten Euthanasie aus der Stadt Buchen während des Nationalsozialismus, welches am Montag, 20. September 2021 im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung in der Stadthalle Buchen vorgestellt wurde. Als Begleitprogramm war im Foyer die Wander-Ausstellung „Grafeneck 1940 – Geschichte und Erinnerung“ der Gedenkstätte Grafeneck zu besichtigen. Sie kann noch bis 17. Oktober im Foyer des Rathauses in Buchen angeschaut werden. Musikalisch umrahmt wurde das Programm mit fünf Stücken, dargeboten von Maria Westermann am Klavier.
Bürgermeister Roland Burger begrüßte die Teilnehmer und gab Artikel 1 des Grundgesetzes als Maßstab für die Beurteilung dieser Geschichte vor: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Er wies darauf hin, dass diese Forderung täglich mit Füßen getreten werde; beispiellos sei aber die Tötungsmaschinerie der Nationalsozialisten unter dem Stichwort „unwertes Leben“ gewesen, welcher auch mindestens achtzehn Menschen aus Buchen zum Opfer gefallen waren. Den Begriff „Euthanasie“ charakterisierte Burger als Euphemismus: es war alles andere als ein „schöner Tod“. Den Opfern wurde die Menschenwürde abgesprochen, sie wurden entindividualisiert und einem Massenverbrechen zugeführt. Die Morde geschahen geräuschlos und auch danach wurde nicht darüber gesprochen. Das Buch entreißt ihr Schicksal aus der Anonymität. Die Namen der Opfer werden auch in der Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus in den Überresten der ehemaligen Synagoge in Buchen ergänzt. Burger dankte Dr. Hans-Werner Scheuing als Impulsgeber für diese Arbeit, der Basismaterial für die Recherchen lieferte. (Scheuing ist Autor des Buches „Als Menschenleben gegen Sachwerte gewogen wurden. Die Geschichte der Erziehungs- und Pflegeanstalt für Geistesschwache Mosbach/Schwarzacher Hof und ihrer Bewohner 1933-1945″). Initiatorin für den Arbeitskreis in Buchen war dann Ingrid Landwehr.
Der Landrat des Neckar-Odenwald-Kreises Dr. Achim Brötel zeigte sich erfreut über die Resonanz der Veranstaltung, an der rund 80 Leute teilnahmen. Er lobte die Qualität des Bandes. Die Grundgesetz-Forderung von der Unantastbarkeit der Menschenwürde sei ein Bekenntnis für eine bessere Zukunft und lasse keine andere Deutung zu: „Jeder Mensch ist wertvoll, weil er ein Mensch ist.“ Die Nazis wollten jedoch eine neue Menschenrasse, die gleichzeitig andere Menschen ausschloss. Die Aktion T4 war ein planmäßig vollzogener Mord an als geistig oder psychisch behinderten, aussortierten Menschen und sogenannten „Asozialen“. Damals wehrten sich nur wenige dagegen: Brötel erinnerte an die Predigt des Bischof von Galen am 3. August 1941, der die These, dass unproduktive Menschen ihr Lebensrecht verwirkt hätten, hinterfragte. Kurz darauf wurde das Mordprogramm dann formal beendet, jedoch durch Medikation und Unterernährung in Anstalten weitergeführt. Brötel drückte seine Anerkennung für die Erinnerungsarbeit aus und verwies auch auf das Gedenken an die 262 Euthanasie-Opfer der damaligen Behinderteneinrichtung in Mosbach und am Schwarzacher Hof, an die der neu eingeweihte Maria-Zeitler-Pfad in Mosbach erinnert, und an die Thematisierung (beim Kreishistorikertag 2019) der Deportation von 54 Insassen der Kreispflegeanstalt Krautheim am 17.10.1940 vor allem nach Grafeneck. Die Euthanasie-Opfer waren Jahrzehnte lang aus dem öffentlichen Gedenken ausgeklammert worden, bis der Bundestag sie im Jahr 2011 zu einer Aufgabe von nationaler Bedeutung erklärte. Brötel dankte der Autorengruppe des Buches, dass sie einen Teil ihrer Zeit den Opfern geschenkt hätten. Er rief zu Solidarität als gesellschaftlichem Schutzschirm für die Demokratie auf und zitierte abschließend den ehemaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan: „Alles was das Böse benötigt, um zu triumphieren, ist das Schweigen der Mehrheit.“
Thomas Stöckle, der Leiter der Gedenkstätte Grafeneck, warf ein paar Schlaglichter auf die Vernichtungsanstalt Grafeneck, wo die Mehrzahl der baden-württembergischen und bayerischen Euthanasieopfer ermordet worden war. Das idyllisch und abgelegene Schloss auf der Schwäbischen Alb wurde 1940 zum Ort eines Massenmordes an 10.654 Menschen. Das Verbrechen, für welches es keine gesetzliche Grundlage gab, sollte als „geheime Reichssache“ nicht publik werden. Die Zentrale der Aktion T4 lag in der Tiergartenstraße 4 in Berlin, die sechs große Euthanasie-Vernichtungsanstalten betrieb: in Grafeneck, Brandenburg, Bernburg, Hartheim/Linz, Sonnenstein und Hadamar. Um 1960 analysierte ein Strafrechtler die Aktion als staatliches, großes und arbeitsteiliges Verbrechen. Die Arbeitsteiligkeit, dass viele Täter damit befasst waren, ergab sich allein schon aus den Dimensionen: bezüglich Grafeneck wurden rund 10.000 Menschen aus 50 Einrichtungen ausgesucht, abtransportiert, ihre Personalien nochmals erfasst, bevor sie schließlich in einer improvisierten Gaskammer ermordet wurden. Die englische und amerikanische Geschichtsschreibung spricht von „killing center“. Der Zeitpunkt für den Mord, dass er nicht schon früher geschah, erklärt sich aus dem Beginn des Weltkriegs, denn unmittelbar danach, am 14. Oktober 1939 wurde der Ort dafür ausgewählt. Zurück geht die Idee der Euthanasie auf völkisch-biologistische Ideologie: Volk bzw. Rasse wurden als Wesen gedacht, denen die Menschen untergeordnet wurden. Das völkische Denken fragte weniger, wer gehört dazu, sondern vor allem danach, wer nicht dazu gehöre. Nach 1945 legte sich der „Mantel des Schweigens“ über diese Verbrechen, jedoch nicht ganz, denn bis 1949 wurden einige Prozesse geführt, jedoch relativ milde Urteile gefällt. Es gab praktisch keine Überlebenden, und wenn doch, haben sie sich nicht organisiert. Es fehlte eine Erinnerungskultur. Verwandte der Opfer fielen als Redende, als Zeugen aus. Das Gedenken und Erinnern heute ermöglicht, aus der Geschichte zu lernen, das Grundgesetz mit Leben zu erfüllen. Stöckle ermunterte abschließend zu einem Gedenkstättenbesuch in Grafeneck.
Stadtarchivar Jan Kohler stellte dann das Buch anhand von zwei exemplarischen Biografien vor und ging nochmals auf den historischen Hintergrund ein. Schon am 14. Juli 1933 wurde als Vorläufer das Sterilisationsgesetz zur „Verhütung erbkranken Nachwuchses“ beschlossen, dem über 300.000 Männern und Frauen unterzogen wurden, davon vielleicht über 100 in Buchen wie Kohler schätzte. Die große Zustimmung dazu generierte eine Stimmung des Schweigens und erleichterte den nachfolgenden Massenmord. Die Erforschung der achtzehn Euthanasie-Opfer in Buchen erwies sich als schwierig, denn sie hinterließen kaum Spuren in der Erinnerung. Die Nazis wollten den Opfern ihre Existenz, ihre Individualität, ihre Besonderheit nehmen, während das Buch diese und ihre Würde wieder zurückgeben möchte.
Keine Wahlempfehlung: Dr. Christina Baum, AfD
Dr. Christina Baum
Ausführlich siehe unter: https://mosbach-gegen-rechts.de/keine-wahlempfehlung-christina-baum/
Zur Bundestagswahl am 26. September 2021 kandidiert im Wahlkreis Odenwald-Tauber für die AfD die aufrechte Kämpferin für Wahrheit und Freiheit und für ein normales Deutschland Dr. Christina Baum. Zwar war sie zuletzt bei der Landtagswahl im März daran gescheitert, wieder in den Landtag einzuziehen. Dieses Mal dürfte sie aber mit einem guten Platz auf der Landesliste ziemlich sicher in den Bundestag einziehen. 2016 war sie gleich bei der Eröffnung des baden-württembergischen Landtags mit beleidigenden Angriffen gegen die Landtagspräsidentin Muhterem Aras aufgefallen: Die Wahl zeige, dass „die Islamisierung Deutschlands … in vollem Gange“ sei. Aras gehört den Aleviten an, einer liberaleren Strömung im Islam. Aleviten werden in islamischen Staaten häufig selbst unterdrückt oder verfolgt.
Christina Baum, eine gute politische Freundin von Björn Höcke, beklagt „einen schleichenden Genozid an der deutschen Bevölkerung“, wittert verschiedenste Verschwörungen gegen Deutschland, zum Beispiel eine „Umvolkung“ und einen „Bevölkerungsaustausch“ in Deutschland und möchte daher Programme zur „Remigration“ (Ausweisung), macht Stimmung gegen die „Lügenpresse“, die „Kartellparteien“ und die „Merkel-Diktatur“, ist die süddeutsche Protagonistin der inzwischen aufgelösten rechtsextremen AfD-Strömung „Der Flügel“, beschäftigte als Abgeordnete einen Mitarbeiter, der zuvor im Umfeld der NPD aktiv war, rechtfertigt ihre Hetze mit Meinungsfreiheit, behauptet, dass in Kindergärten und Schulen eine angebliche „Frühsexualisierung“ stattfinden würde, Schwule und Lesben wollten ihre Lebensweise der Mehrheit der Gesellschaft aufzwängen, sie spricht diesbezüglich von „Homopropaganda“ und „Umerziehungswahn“, in deutschen Schulen werde indoktriniert usw. Zum Wahlkampf hatte sie Björn Höcke eingeladen, der bei der Kundgebung in Lauda-Königshofen ähnlich wie der frühere US-Präsident Donald Trump schon mal im Vorfeld der Bundestagswahl vor Briefwahl warnte und Wahlbetrug unterstellte.
Anstatt die entscheidenden Zukunftsthemen anzugehen – drohender Klimawandel, Atomwaffen und die globale Verschwendung von 2 Billionen jährlich für das Militär, das friedliche Zusammenleben von Menschen, der Welthunger, globale soziale Gerechtigkeit, der drohende Verlust der Ackerböden, Überwachungskapitalismus und -staatlichkeit – bieten Dr. Christina Baum und die AfD nur rückwärts gewandte Antworten wie die Flucht in nationalistische, völkische und sexistische Ideologien.
Mosbach gegen Rechts setzt sich hingegen für eine offene und solidarische Gesellschaft und für eine Zukunft für alle ein.
Damit Ihr wisst, was Euch mit Frau Dr. Christina Baum im Bundestag erwartet, hier ein Porträt der Kandidatin: https://mosbach-gegen-rechts.de/keine-wahlempfehlung-christina-baum/